Lance Armstrong: Halbherziges Geständnis eines „arroganten Sacks“

Lance Armstrong gesteht, was bekannt ist — und lässt erkennen, dass er darüber hinaus nicht gehen mag.

Austin/Berlin. Er war jetzt nicht mehr unbezwingbar, trotz des gelben Bändchens um sein Handgelenk, das ihn durch seine Karriere getragen hat. „Livestrong“ („Lebe stark!“) ist der Name seiner Krebsstiftung und die Botschaft dieses Stücks Silikon. Er trug es auch jetzt, trotzig zur blauen Jeans-Sakko-Kombination, als er sich der US-Talkmasterin Oprah Winfrey zu öffnen versuchte. In einem scheinbaren Akt von Umkehr ist aus einem standhaften Alles-Leugner ein vermeintlich reuiger Sünder geworden. Lance Armstrong hat gestanden.

Doping sei in seinen Rennställen zwischen 1999 und 2005 die reine Selbstverständlichkeit gewesen, „wie Reifen aufpumpen oder Wasser in die Flaschen füllen“, sagte Armstrong. Was auf den ersten Blick ein umfassendes Geständnis schien, war tatsächlich eine große Enttäuschung. Der vermeintlich größte Radsportler der vergangenen zwei Dekaden gab allein das zu, was ohnehin aus den Unterlagen der amerikanischen Anti-Doping-Behörde Usada hervorgegangen war. Und er leugnete mit erstaunlicher Konstanz all das, was darüber hinaus im Raum steht.

Weder habe er jemals Teamkollegen bedrängt noch habe er aufgedeckten Dopingmissbrauch in einem Akt von Kollaboration mit dem Radsport-Weltverband (UCI) zu vertuschen versucht. Die höchst umstrittene Verbands-Spitze mit Pat McQuaid und Vorgänger Hein Verbruggen ließ der Betrüger sogar gut dastehen, lobte gar die Anti-Doping-Politik der notorisch verseuchten Sportart. Und er sagte auch: In seinen Comeback-Jahren 2009 und 2010 sei er „sauber“ gefahren. Wer kann das noch glauben?

Anklage gegen Hintermänner, Ärzte und Teamchefs? Fehlanzeige. Armstrong blieb ganz bei sich, es liege ihm nicht, über andere zu sprechen, sagte der Texaner, der seine Antworten sorgfältig abzuwägen schien.

Und so bleibt fraglich, ob es nach der Winfrey-Show, die in der Nacht zum Samstag per TV-Übertragung noch 90-minütig fortgesetzt wurde, auch zur umfassenden Aussage vor der Justiz kommen wird. „Wenn er den Radsport so liebt, wie er sagt, und wenn es ihm darum geht, seine Glaubwürdigkeit wieder herzustellen, dann muss er bereit sein, gegenüber der Wada oder der Usada unter Eid auszusagen“, forderte IOC-Vizepräsident Thomas Bach von Armstrong, dessen Pathos wenig glaubwürdig schien: „Ich werde den Rest des Lebens mit dem Versuch zubringen, Vertrauen zurückzugewinnen und mich bei den Leuten zu entschuldigen“, sagte der fünffache Familienvater, der sich als „Tyrann“ und „arroganten Sack“ kasteite — wohl auch, um auf die Öffentlichkeit mit ihrem Hang zur großen Dramatik zuzugehen. „Ich sitze heute hier, um Sorry zu sagen.“

Einen Anfang machte er bei seiner Ex-Physiotherapeutin Emma O’Reilly, die er verklagt und übel beschimpft hatte. Die Irin gehörte zu den 26 Zeugen, die vor der Usada gegen Armstrong ausgesagt hatten. „Ich habe sie niedergewalzt“, sagte er. Aber sein Blick blieb merkwürdig kalt.

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