Leichtathletik Doping-Vorwürfe: Der Verdacht läuft mit

Drei Wochen vor Beginn der WM erschüttern neue Vorwürfe die Leichtathletik: Waren Hunderte von Läufern zwischen 2001 und 2012 gedopt?

Leichtathletik: Doping-Vorwürfe: Der Verdacht läuft mit
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Düsseldorf. Man könnte sagen, das Timing der Polin Anita Wlodarczyk war denkbar schlecht. Als erste Frau der Welt schaffte die Hammerwerferin am Samstag eine Weite über 80 Meter. Im polnischen Cetniewko erzielte sie 81,08 Meter — Weltrekord. Das hätte eine schöne Top-Meldung werden können an diesem Wochenende, auch wenn Hammerwerfen nicht unbedingt die meistbeachtete Disziplin und von den neuen Vorwürfen gar nicht direkt betroffen ist.

Doch die Freude über Bestleistungen aller Art sollte sich besser in Grenzen halten. Mit umfassendem Material versuchen die beim WDR angesiedelte Doping-Redaktion der ARD und die britische Zeitung „Sunday Times“ eine umfassende Doping-Praxis in der Leichtathletik zu belegen. „Die Daten sind von großer, fast historischer Bedeutung“, kommentierte der Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel. „Wegen der Menge und weil sie aus einer Zeit des fröhlichen, unbeschwerten Blutdopings stammen.“ Solche Daten erhalte man „im Zeitalter des geschickten Mikrodosierens“ nicht mehr.

Wie aus einer Liste mit Bluttests hervorgehen soll, haben 800 Läuferinnen und Läufer, WM- und Olympiateilnehmer in den Jahren von 2001 bis 2012, verdächtige Werte aufgewiesen. 146 haben sogar Medaillen gewonnen, aber nur gegen ein Drittel sei ein Dopingverfahren eingeleitet worden. Auch deutsche Athleten sollen darunter sein, aber Namen werden nicht genannt.

„Ich habe niemals so alarmierende, unnormale Blutwerte gesehen“, sagte der australische Anti-Doping-Experte Robin Parisotto, der die Daten statistisch ausgewertet hat. Und da die den Journalisten zugespielte Liste vom Internationalen Leichtathletik-Weltverband (IAAF) selbst stammt, stellt sich drei Wochen vor Beginn der Weltmeisterschaft in Peking die Frage: Ist der Verband im Anti-Doping-Kampf nur überfordert oder sogar desinteressiert?

IAAF-Präsident Craig Reedie reagierte am Rande der 128. Session des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Kuala Lumpur alarmiert: „Wir sind verstört über das Ausmaß der wilden Anschuldigungen. Das Fundament eines jeden sauberen Athleten weltweit wird erneut erschüttert“, erklärte er. Im übrigen aber wies der IAAF die Kritik im ARD-Film „Geheimsache Doping: Im Schattenreich der Leichtathletik“ zurück. Verlässlich zur Feststellung von Doping seien ausschließlich Analysen, die den strengen Testanforderungen des Biologischen Passes für Athleten folgen.

„Die Vorwürfe im Film sind natürlich frustrierend, aber andererseits ist ein Dopingverdacht — wie im Film selbst betont wird — noch nicht ein Nachweis des Dopings“, sagte auch Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Es gelte nun, die Verdachtsmomente aufzuklären und für die Zukunft Strukturen aufzubauen, um die Effizienz der Dopingbekämpfung zu verbessern.

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