Matthias de Zordo: Der hochbegabte Träumer

Matthias de Zordo wirft den Speer 86,27 Meter weit und gewinnt WM-Gold. Das Deutschland-Trikot beflügelte ihn.

Daegu. Die routinierte Gelassenheit täuscht. Was da gerade passiert, realisiert Matthias de Zordo nicht. Das dauert noch ein paar Tage. Also sitzt er ruhig auf dieser Treppenstufe statt auszuflippen. Weil er, der Speerwerfer aus Langenlonsheim in Rheinhessen, Weltmeister ist.

Mit seinen 86,27 Meter im ersten Versuch hat er die Finalisten beeindruckt. So sehr, dass keiner von ihnen diese Weite mehr übertrifft. Nicht mal Olympiasieger Andreas Thorkildsen. Der Norweger freut sich nach kurzer Bedenkzeit über Silber, nicht aber über seine 84,78 Meter.

„Dass Matthias mal ganz oben steht und die Nationalhymne hört, ist auch für mich ein sehr bewegender Moment“, sagt Bundestrainer Boris Henry. Dreitagebart, verschwitzte Haare, rote Backen. Sie nehmen ihn wahr in der Szene, den Vize-Europameister. Wegen seiner außergewöhnlich guten Bogenspannung.

Mit ihr erzeugt Matthias de Zordo diese hohe Abwurfgeschwindigkeit — und gleicht sein Kraft-Defizit aus. An seiner Physis wird er noch arbeiten, um stärker und konstanter zu werden. Für Olympia im nächsten Jahr in London.

Der Weltmeister als Favorit? „Für mich nicht“, sagt de Zordo. Er hätte das smarte Nordlicht Thorkildsen gerne „auf einem höheren Niveau geschlagen“. Mit einer Bestleistung. Wie er das sagt, klingt es, als sei der Titel von Daegu ein Trostpflaster. Er ist de Zordos größter Erfolg.

Seinen lädierten Fuß hat de Zordo nach Durchgang drei mit einem Schmerzpflaster betäuben und neu tapen lassen. Dieser zurückhaltende Hochbegabte ist mental stark. „Viele sagen, es ist der Killerinstinkt“, meint Matthias de Zordo und beschreibt schlicht: „Im Prinzip hinten anstellen, nach vorne rennen und einfach nur drauf dreschen — ohne viel zu denken und 150 Prozent abziehen.“

Der 23-Jährige kann es. Auch bei einer Weltmeisterschaft. Durch das Publikum, das Drum und Dran steigt der Adrenalinspiegel. Matthias de Zordo schaut an sich runter: „Dann hat man das Deutschland-Trikot an. Das beflügelt.“

De Zordo hat sich gesteigert. Im Durchschnitt um zwei Meter zu 2010. Das macht Mut, zeigt, dass der Soldat Thorkildsen vielleicht auch an einem guten Tag schlagen kann, wenn sein Karbonspeer auf 90 Meter segelt.

Diese Zwei werden sich auf der großen Bühne noch oft begegnen. De Zordos Reserve ist die Kraftschraube. An ihr wird er drehen. Wie vor Daegu, wo er einen neuen Reiz gesetzt hat. Nach 28 Jahren und Detlef Michel hat Deutschland wieder einen Speerwurf-Weltmeister.

Eine goldige Überraschung. Kaum geschafft, sagt Matthias de Zordo mit dem Lachen eines Lausbuben: „Ich kannte das alles schon aus meinen Träumen. Es fühlt sich fantastisch an.“ Schade nur, dass aus der Ehrenrunde nichts wurde. Die Laufbahn war mit Staffelläuferinnen belegt. Beim nächsten Mal dann.

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