New York streitet weiter um Marathon

New York (dpa) - Das Teilnehmerfeld ist hochkarätig, doch der sportliche Aspekt des New York-Marathons ist in diesem Jahr trotzdem nur sekundär. Die 43. Auflage des Langstrecken-Klassikers durch alle fünf New Yorker Stadtteile am Sonntag ist umstritten.

„Den Marathon zu laufen ist nicht das, was die Stadt jetzt braucht“, schrieb die Tageszeitung „New York Daily News“. „Die Show muss nicht weitergehen“, hieß es bei ESPN.com in Anspielung auf die Steh-auf-Mentalität, die vor allem Bürgmeister Michael Bloomberg verbreitete.

Auch Tage nach Hurrikan „Sandy“ sind Hunderttausende in der Millionen-Metropole noch ohne Strom - der Alltag ist trotz aller Bemühungen weit von der Normalität entfernt. Dennoch hatte Bloomberg bereits zur Wochenmitte betont, dass der Marathon auf jeden Fall stattfinden werde. Renndirektorin Mary Wittenberg zog gar einen Vergleich zu 2001, als das Event sieben Wochen nach den Terror-Anschlägen des 11. September ausgetragen wurde, um die Einwohner zu inspirieren und der Welt die Widerstandsfähigkeit der Stadt zu zeigen. „Wir reden hier über weitaus mehr als ein Rennen. Der Marathon ist nicht nur eine Essenz der Stadt, sondern auch gut für die Stadt“, so Wittenberg. „Blödsinn“, entgegnet Filip Bondy, Kolumnist der „New York Daily News“.

Das Rennen habe keine Bedeutung für Leute, die obdachlos geworden sind, weil ihre Häuser bis auf die Grundmauern niedergebrannt seien, so Bondy. Er hob zudem hervor, dass die Krankenhäuser der Stadt, von denen zwei bereits wegen Stromausfalls evakuiert werden mussten, derzeit Wichtigeres zu tun hätten, als sich um selbst zugefügte Verletzungen oder Herzkomplikationen von Läufern zu kümmern.

Die Frage, warum die Massen-Veranstaltung trotz der Unwägbarkeiten unbedingt durchgeführt werden muss, stellen sich viele. Prestige, purer Aktionismus oder angekratzter Stolz? Liegt es daran, dass der Marathon erstmals seit 1993 wieder im landesweiten TV übertragen wird? Oder schlichtweg, weil er „Big Business“ für „Big Apple“ ist und mit geschätzten Einnahmen von 340 Millionen Dollar so viel Geld in die Stadtkassen spült, wie kein anderes Sportevent?

Es gebe „entsetzlich viele Kleinunternehmen, die von dieser Veranstaltung abhängig sind“, so Bloomberg. Andrew Zimbalist hält dies für eine „Übertreibung.“ Der Wirtschaftsprofessor verweist darauf, dass New York durch Veranstaltungen jährlich mehrere hundert Milliarden Dollar einnimmt. „Die jetzige Situation wird sich bemerkbar machen, aber nur sehr geringfügig“, so Zimbalist.

„Es fällt uns nicht leicht, wir treten unsere Aufgabe schweren Herzens an“, sagt Wittenberg. Ihre New York Road Runners (NYRR) hatten vor dem Hurrikan damit gerechnet, rund 34 Millionen Dollar für 300 Wohltätigkeitsorganisationen zu sammeln. Jetzt, so Wittenberg, wolle man das Rennen vor allem als Plattform für Charities nutzen, die direkt den von „Sandy“ betroffenen Menschen helfen. Unter dem Motto „Race to recover“ haben die NYRR den angestrebten Spenden-(Marathon) eröffnet. Die Organisatoren gaben bekannt, mindestens eine Million Dollar oder aber 26,20 Dollar (ein Marathon entspricht 26,2 Meilen) für jeden der mehr als 40 000 erwarteten Starter zu stiften.

Während viele Hobbyläufer noch mit Anreiseproblemen kämpfen, sind die großen Namen bereits in New York eingetroffen. Das Frauenfeld wird von der äthiopischen Olympiasiegerin Tiki Gelana, der London-Dritten Tatjana Archipowa (Russland) und Kenias Weltmeisterin Edna Kiplagat angeführt. Bei den Männern gelten der Olympia-Dritte Wilson Kipsang (Kenia), sein Landsmann und 2011 Chicago-Champion Moses Mosop sowie der New Yorker 2010-Sieger Gebre Gebremariam. (Äthiopien) als Favoriten. Die Einheimischen setzen auf den Olympia-Vierten und 2009-Gewinner Meb Keflezighi. Er sieht den Marathon wenige Tage nach dem Hurrikan als „etwas Positives. Es wird Motivation sein, eine gute Show zu liefern.“

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