Löw auf der Achterbahn

Ein spektakuläres Länderspiel-Jahr ist ohne Spektakel zu Ende gegangen. Einige Fragen bleiben.

Amsterdam. Nach dem 0:0 gegen die Niederlande in Amsterdam war Bundestrainer Joachim Löw zufrieden. Der Test habe ihm neue Erkenntnisse gebracht, und ein turbulentes Jahr gehe gut zu Ende. Wir blicken auf die wichtigsten Erkenntnisse.

Götze hat in Amsterdam in vorderster Front gespielt, weil Löw außer den fehlenden Mario Gomez und Mioslav Klose keine deutschen Stürmer mehr schätzt. Und er ist davon überzeugt, dass der situative Wechsel der offensiven Techniker Reus, Müller, Holtby, Götze, auch Podolski, Schürrle und Özil vom Mittelfeld in den Sturm durchaus ein Erfolgsmodell, allemal aber eine Variante sein kann. Götze spielte zentral, weil er laut Löw „mit dem Rücken zum Tor stärker ist als die anderen“. Und doch: Klose und Gomez gehen als Sieger aus diesem 0:0.

Benedikt Höwedes hat als Rechtsverteidiger einen guten Eindruck hinterlassen. Am liebsten würde der Schalker Innenverteidiger spielen, aber das darf er weder auf Schalke noch bei Löw. Dabei wäre ein Innenpaar um Höwedes und Hummels durchaus eine Überlegung wert. Zweiter Gewinner: Ilkay Gündogan. Der Deutsch-Türke aus Dortmund ist fußballerisch ein Genuss, verhält sich taktisch hervorragend — mittelfristig bringt er die Stammspieler Khedira und Schweinsteiger in Bedrängnis.

Weil er erleichtert war. Die vielen Gegentore der jüngeren Zeit sind dem Bundestrainer auf den Magen geschlagen, das gesunde Gleichgewicht von Offensive und Defensive war als vorrangige Devise ausgegeben, zuletzt hatte sogar Torwart Manuel Neuer gemahnt, die Defensive doch bitte mehr zu achten. „Wir haben sehr diszipliniert gespielt, immer die Positionen gehalten“, freute sich Löw und wurde von Oranje-Trainer Louis van Gaal sogar noch moralisch unterstützt: „In der ersten Halbzeit haben uns die Deutschen vom Feld gefegt.“

Weil er bessere Alternativen hat. Zuletzt hat Marco Reus auf der linken offensiven Seite zahlreiche gute Länderspiele gemacht. „Ich wollte ihn gegen die Niederlande auf dieser Position belassen. Weil wir ohnehin schon viel verändert hatten“, sagte Löw. Podolskis „gute Entwicklung“ in London habe er registriert, der ehemalige Kölner werde im neuen Jahr wieder „alles dafür tun, näher an die Stammelf zu rücken“. Trotzdem ist die Perspektive für Podolski die eines Ergänzungsspielers.

Die deutsche Bilanz 2012 ist mit acht Siegen, zwei Remis und vier Niederlagen durchwachsen. Mehr verlorene Spiele in einem Kalenderjahr gab es unter Löw noch nie. 22 Gegentore in 14 Spielen sind auch Negativrekord.

So gefragt hatte der Bundestrainer eine klare Antwort parat: „Dass wir immer dann keine Probleme hatten, wenn wir unser Spiel durchgezogen haben. Und dass wir dann Probleme bekommen haben, wenn wir unsere Linie verlassen haben.“ Das verrät viel: Löw ist davon überzeugt, ein Spiel bis ins Detail planen zu können, auf diese perfekten 90 Minuten arbeitet er hin. Der Nachteil: Auf Zufälle oder überraschende Momente, die ihm der Gegner oder die eigene Mannschaft immer mal wieder geliefert haben, wusste der Bundestrainer zu selten eine Lösung. Im Hinblick auf die WM 2014 in Brasilien ist das Ziel klar: „Vom offensiven Spielstil wollen wir nicht abweichen, das macht uns stark.“ Ziel für die Zukunft ist es, „das schöne Wort Balance zu perfektionieren“, sagte Mats Hummels.

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