Marcel Schaefer: Die Facebook-Fußballer

Wie Nationalspieler Marcel Schaefer versucht, sein Bild in der Öffentlichkeit über soziale Netzwerke offensiv mitzubestimmen.

Wolfsburg. Sein Debüt in der Fußball-Bundesliga gab Marcel Schaefer 2003 für den TSV 1860 München. Seit 2007 spielt der Linksverteidiger für den VfL Wolfsburg, mit dem er 2009 überraschend deutscher Meister wurde. Im Interview spricht der achtmalige Nationalspieler weniger über Fußball als über soziale Netzwerke im Internet wie etwa Facebook — und den Versuch, sein Bild in der Öffentlichkeit auf diesem Wege aktiv mitzubestimmen.

Herr Schäfer, seit kurzem betreiben Sie bei Facebook eine eigene Fanseite. Nutzen Sie die sozialen Netzwerke, um Ihr Bild in der Öffentlichkeit zu steuern?

Marcel Schäfer: In gewisser Weise, ja. Es ist leider so, dass du als Sportler, speziell als Profifußballspieler, in der Öffentlichkeit von Medien und Fans oft nur nach der Leistung auf dem Platz be- und verurteilt wirst. Nach dem Motto: Wenn du verlierst, hast du auch einen schlechten Charakter. Man darf aber den Menschen nie außer acht lassen. Ob ich gut oder schlecht spiele, lässt keine Rückschlüsse darauf zu, wie ich als Mensch bin. Mit Facebook habe ich die Möglichkeit, dass mich die Fans besser kennenlernen können und erfahren, wie ich ticke.

Das ist Ihnen wichtig?

Schäfer: Ja. Mir ist es nicht egal, wie Leute über mich denken. Denn oft entsteht einfach ein falsches Bild. Nehmen Sie den Fall Diego: Da wurde immer wieder in der Boulevard-Presse geschrieben, dass er eine Diva sei und wir als Mannschaft ein Problem mit ihm gehabt hätten. Das hat aber überhaupt nicht gestimmt. Diego hat sich in einem Fall falsch verhalten, okay. Aber wir hatten nie ein Problem mit ihm. Im Gegenteil, er hat sich stets zu Wort gemeldet. Die Mannschaft war ihm nicht egal.

Schäfer: Ich habe es versucht. Aber ich hatte den Eindruck, die Presse hatte überhaupt kein Interesse an der Wahrheit. Diva Diego, das war für Sie die Geschichte, die viel mehr zog. Über Facebook beispielsweise kann ich jetzt solchen Geschichten authentisch begegnen. Es ermöglicht mir sozusagen die Führung, das 1:0.

Ihr öffentliches Bild zu steuern: Ist das die einzige Motivation?

Schäfer: Nein. In der vergangenen Saison, als wir gegen den Abstieg gekämpft haben, haben uns die echten Fans wahnsinnig unterstützt. Für mich waren die Gefühle viel intensiver als bei der Meisterschaft 2009. Es ging damals um sehr viel, und mit Facebook habe ich jetzt die Möglichkeit, den Fans etwas zurückzugeben.

Sind Sie sensibel?

Schäfer: Teilweise ist die Öffentlichkeit, in der wir stehen, schon belastend. Wenn du nach einem verlorenen Spiel beispielsweise zum Einkaufen gehst und von fremden Leuten gefragt wirst, warum du dich heute überhaupt auf die Straße traust. Sicher, das gehört zum Geschäft und wir müssen damit umgehen können. Aber die Entwicklung halte ich trotzdem für bedauerlich.

Jüngst hat sich Schalkes Trainer Ralf Rangnick zu einem Burnout bekannt und sich eine Auszeit genommen. Hat Sie der Fall berührt?

Schäfer: Ja, weil ich denke, dass ich ein ähnlicher Typ bin wie er. Ich beschäftige mich auch oft mit mir. Aber als Sportler kann man es einfach nicht immer jedem recht machen. Oft kommt ja das Argument: ,Ihr verdient so viel Geld, ihr müsst das aushalten.’ Aber Geld hat nichts damit zu tun. Geld macht nicht glücklich. Die Leute sollten einmal einsehen, dass wir auch nur Menschen sind, die in ihrem Beruf Erfolg haben und akzeptiert werden wollen.

Ist Ralf Rangnick ein Einzelfall?

Schäfer: Ich denke, die Dunkelziffer ist viel höher. Ich kann mir vorstellen, dass sich viele aus Angst vor den Folgen nicht zu ihrer Krankheit bekennen. Was hat sich denn nach dem Fall Enke geändert? Nichts. Bezeichnend war für mich wenige Tage nach Enkes Tod unser Länderspiel gegen die Elfenbeinküste, in dem Mario Gomez gnadenlos ausgepfiffen worden ist. Das war unglaublich.

Das Spiel war damals in Gelsenkirchen, vielleicht pfiffen die Schalke-Fans nur den Bayern-Stürmer aus. Rivalität gehört zum Fußball.

Schäfer: Rivalität ja, Feindschaft nein. Denken Sie an die WM 2010. Da haben alle deutschen Fans den Bayern-Spielern zugejubelt. Das sollte ich als Fan nie vergessen, wenn der FC Bayern drei Monate später ins Stadion kommt. Das hat nichts damit zu tun, dass man immer seinem eigenen Klub die Daumen drückt.

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