Philipp Lahm: Das Ende als Teil des Plans

Warum Kapitän Philipp Lahm nach dem Weltmeister-Titel aus der Nationalmannschaft zurücktritt.

Philipp Lahm: Das Ende als Teil des Plans
Foto: Kamil Krzaczynski

Düsseldorf. Der Kapitän geht von Bord, Philipp Lahm spielt nicht mehr für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Eilmeldungen werden Freitagmittag in den Redaktionsstuben der Republik geschrieben. Das Fußball-Magazin „11 Freunde“ schreibt satirisch, aber doch voller selbstempfundener Wahrheit: „Och menno, es war doch gerade so schön.“

2004 startete Philipp Lahm unter Rudi Völler in der Nationalelf.

2004 startete Philipp Lahm unter Rudi Völler in der Nationalelf.

Foto: Oliver Berg

Am Montagmorgen hatte Lahm Bundestrainer Joachim Löw unterrichtet, eine Nacht hatte Löw im Flieger von Rio nach Berlin Zeit, seine Gedanken zu ordnen, dann feierte er mit seinem wichtigsten Spieler in Berlin den Erfolg, auf den beide gemeinsam zehn Jahre hingearbeitet hatten. Und er feierte Abschied. In Berlin — so viel ist sicher — war davon nichts zu erkennen. Überraschend nannten Freitag viele diese Nachricht, doch war sie das tatsächlich?

2006 war er Teil des Sommermärchens, ...

2006 war er Teil des Sommermärchens, ...

Foto: ValeriaWitters

Im Hochgefühl des WM-Triumphes war der Satz, den der gleiche Philipp Lahm vor der WM gesagt hatte, längst aus allen Köpfen verschwunden. Es könne sein, hatte der 30-Jährige erklärt, dass die WM sein letztes Turnier im Nationaltrikot sein werde. Seit Freitag weiß Fußball-Deutschland, dass Lahm zu jener Zeit schon wusste, dass es so sein würde.

... 2010 ersetzte er bei der WM in Südafrika Michael Ballack als deutschen Kapitän.

... 2010 ersetzte er bei der WM in Südafrika Michael Ballack als deutschen Kapitän.

Foto: Pressefoto Ulmer/Michael Kienzle

Schluss, das Aus mit 30, nach 113 Länderspielen mit fünf Toren, als Weltmeister, auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Das ist Lahms gutes Recht. Mit ihm verliert die Nationalelf einen großartigen Fußballer, wenn es erlaubt ist, präzise zu sein: den besten Rechtsverteidiger der Welt. Die Einschränkung ist wohlbedacht, denn gerade Lahm selbst wollte diese Sicht der Dinge ja nicht akzeptieren und zuletzt viel lieber auch bei Löw im Mittelfeld kicken — wie beim FC Bayern unter Pep Guardiola.

2014 in Brasilien erfüllte sich sein Traum: Weltmeister.

2014 in Brasilien erfüllte sich sein Traum: Weltmeister.

Foto: Andreas Gebert

Aber das lief nicht so, wie sich das alle vorgestellt hatten. Die anschließende Rückversetzung auf die Außenbahn gefiel ihm nicht, aber er trug sie mit. Weil das so professionell ist, wie alles in dieser Karriere eines Fußballers, der immer einen Plan hat.

Der 1,70 Meter kleine Fußballriese hat immer gewusst, was er will. Irgendwann ist er Machtmensch geworden. Wie sein Fan Angela Merkel hat er ein ausgeprägtes Gespür entwickelt, wann es Chancen beherzt zu ergreifen gilt. Etwa 2010, als er von Michael Ballack die Kapitänsbinde übernahm und sie mit kühlem Kalkül nicht mehr abzugeben bereit war.

Etwa als er 2011 sein umstrittenes Buch („Der feine Unterschied“) veröffentlichte und dabei Kritik bewusst in Kauf nahm, um sein Profil zu schärfen.

Etwa als ihn bei den Bayern Guardiola als intelligentesten Fußballer, mit dem er je zusammengearbeitet habe, adelte und ihn damit — zum eigenen Wohlgefallen — unantastbar ins Mittelfeld versetzte.

Auf vielen Bildern sieht Lahm aus wie der junge Philipp, den Mütter gerne als Schwiegersohn hätten. In vielen Fan-Foren wird dafür — auch jetzt nach dem Abschied — das Bild gezeichnet vom berechnenden Profi gezeichnet. Vor allem unter den Fans des FC Bayern. Schweinsteiger wird geliebt, Lahm respektiert.

Vielleicht hat er sich nun zu seinem Abschied an seinen eigenen Sätzen orientiert, die er in seinem Buch damals an die Adresse des entmachteten Kapitäns Ballack richtete. Zitat: „Die Mechanismen im Spitzenfußball kennen keine Nachsicht. Sobald die Leistungen nicht mehr stimmen, verliert der verdienteste Spieler seine Aura — und danach seine Funktionen. (. . .) Persönliche Befindlichkeiten spielen dabei zwangsläufig eine untergeordnete Rolle.“

Das, so viel war immer klar, würde einem Philipp Lahm nie passieren.

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