Werths tränenreicher Abschied vom wilden Wallach

Stuttgart (dpa) - So erfolgreich wie Gigolo war Satchmo bei weitem nicht und daher auch nicht so berühmt. Das Pferd liegt Isabell Werth trotzdem ganz besonders am Herzen, vielleicht sogar ein bisschen mehr.

Denn mit keinem anderen hat sie so gekämpft und so gehadert wie mit dem wilden Wallach.

Vor allem bei den Olympischen Spielen 2008, als „Satchie“ die erfolgreichste Reiterin der Welt auf dem Weg zum sechsten Gold in Stich ließ. Am diesem Wochenende, beim Reitturnier in Stuttgart, wird Satchmo nun verabschiedet - Tränen sind garantiert.

„Er hat mich gelehrt, mit den schwierigsten Situationen im Leben umzugehen“, sagte Werth zum Abschied in der Schleyer-Halle. Mit einer abschließenden Kür am Samstag schickt sie ihn auf die Weide, nachdem das Pferd beim letzten Wettkampf in Hannover noch einmal gewonnen hatte, ohne Zicken zu machen.

„Ein Charakterpferd“, sagt Werth über den Wallach, der sie 2006 in Aachen zu Doppel-Gold trug. „Genial“ nennt sie den nun 17-Jährigen, doch auch bei Satchmo liegen Genie und Wahnsinn offensichtlich ganz dicht beieinander. So oft Satchmo glänzte, so oft trieb er die Reiterin aus Rheinberg auch zur Verzweiflung. Nach einer Augenoperation schien das Problem zunächst gelöst, doch die Eskapaden gingen weiter.

Am schlimmsten war es in Hongkong, wo Werth ein Drama in zwei Akten ohne Happy End erlebte. Auf dem Weg zum scheinbar sicheren olympischen Doppel-Gold stieg Satchmo im Grand Prix Special in die Luft, sprang während einer Piaffe zur Seite und verweigerte sekundenlang die Zusammenarbeit. „Scheiße, einfach nur scheiße“ habe sie gedacht, sagte die inzwischen 42 Jahre alte Werth: „Wir waren schon ganz schön nah dran am Gold.“

In der anschließenden Kür zeigte sich der Wallach erneut widerspenstig. „Eine Schande, denn er war in großartiger Form“, sagte Werth, die mit einem Sieg den legendären Reiner Klimke als erfolgreichsten Olympia-Reiter überflügelt hätte.

Zuletzt sprang Satchmo zu Beginn dieses Jahres beim Weltcup-Finale in Leipzig im Viereck herum. Gigolo, mit dem Werth unter anderem vier olympische Goldmedaillen und vier WM-Titel gewann, hat so etwas nicht gemacht. Das erfolgreichste Dressurpferd der Welt, das vor elf Jahren ebenfalls in Stuttgart verabschiedet wurde, war wesentlich pflegeleichter als sein kaum zu bändigender Nachfolger. Aber irgendwie passte Satchmo auch ganz wunderbar zu Werth, die ja selber so ein emotionales Energiebündel ist.

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