Härtefälle de Zordo, Friedrich und Co. enttäuschen

London (dpa) - Mit einer Ausnahmeregelung hatte der Deutsche Olympische Sportbund einige Athleten für London nominiert. Die Extrawürste haben jetzt einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen.

Ariane Friedrich verließ das Olympiastadion mit Tränen in den Augen, Matthias de Zordo wäre „am liebsten abgehauen“ und über Ralf Bartels spricht schon lange keiner mehr. Auf dem Silbertablett hatte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) den drei Leichtathleten das Ticket für London serviert. Doch das Trio scheiterte bereits in der Ausscheidung und warf die Frage auf: Haben sich die Funktionäre von den früheren Erfolgen blenden lassen?

Hinterher ist man immer schlauer: Um Tommy Haas hatte es ein ziemliches Hickhack gegeben, der wiedererstarkte Tennisprofi wäre so gerne zu den Spielen gefahren - und musste zu Hause bleiben. Zuletzt erreichte der 34-Jährige zwei Endspiele auf der ATP-Tour und hätte beim olympischen Turnier in Wimbledon möglicherweise doch eine gute Rolle gespielt. Im Judo hatte die Leipzigerin Kerstin Thiele das Olympia-Ticket erhalten, obwohl die Berlinerin Iljana Marzok besser platziert war. Die 25-Jährige dankte es den Verantwortlichen: Sie holte völlig überraschend Olympia-Silber.

In anderen Fällen freilich haben sich Fachverbände und DOSB verspekuliert. Brustschwimmer Hendrik Feldwehr war wegen eines Muskelbündelrisses im Adduktorenbereich wochenlang ausgefallen und bezeichnete sich selbst als „kleine Wundertüte“. Der Essener schied prompt im Vorlauf aus und wurde in den Staffeln nicht mehr eingesetzt.

Der 24 Jahre alte de Zordo (Saarbrücken) leidet seit Wochen an einer Kapselverletzung im Ellbogen, fehlte bei den deutschen Meisterschaften und bei der EM in Helsinki, hatte die Norm von 82 Meter nicht erreicht - und wurde dennoch nominiert. Der DLV, so Sportdirektor Thomas Kurschilgen, war sich „des Risikos“ auch im Fall Friedrich und Bartels bewusst. „Wir hatten aber keine Einflussmöglichkeit, über einen Leistungsnachweis einzugreifen“, erklärte er. Dies verlangt der DLV normalerweise bei internationalen Titelkämpfen, wenn Zweifel an der Form und körperlichen Verfassung eines Sportlers bestehen.

Vor Olympia aber stellt der DOSB das Team nach Vorschlägen der Verbände auf. In kritischen Fällen, so Kurschilgen, liege bei den Athleten und Trainern „ein hohes Maß an Eigenverantwortung“. Doch welcher Hochleistungssportler, der oft sein halbes Leben auf eine Olympia-Teilnahme hintrainiert, verzichtet schon freiwillig?

„Der DOSB ist für mich in Vorlage getreten. Es ist schon bitter, dass ich das nicht zurückgeben konnte“, sagte de Zordo und verkündete direkt nach seinem Aus in der Qualifikation das vorzeitige Saisonende. Er wolle seinem Arm Ruhe geben „und mal zwei, drei Monate gar nicht werfen“.

De Zordo, so hatte DOSB-Präsident Thomas Bach die Sonderregelung, begründet, habe schon gezeigt, „dass er es bringen kann, womöglich mit einem einzigen herausragenden Wurf im Finale“. Kugelstoßer Ralf Bartels, Kapitän der Leichtathletik-Nationalmannschaft, steuert dem Ende seiner Karriere entgegen und musste sich in dieser Saison einer Knieoperation unterziehen. Der 34-Jährige scheiterte wie Friedrich in der Qualifikation.

Die Hochspringerin war nach einer völlig verkorksten Saison, wo sie zunehmend verzweifelt und am Ende vergebens der Norm von 1,95 Meter hinterhersprang, trotzdem in London dabei. „Ich kann mir nicht vorwerfen, es versaubeutelt zu haben. Ich habe den Hintern zusammengerissen und alles probiert“, sagte die Frankfurterin am Donnerstag nach einem Satz über 1,93 Meter - das reichte nicht für den Medaillenkampf.

Unter anderem hatte die zweifache Olympiasiegerin Ulrike Nasse-Meyfarth Friedrichs Nominierung scharf kritisiert. „Es ist traurig, wenn man so einen Nestbeschmutzer hat. Ich habe mit ihr nie ein Problem gehabt“, konterte die WM-Dritte von 2009. „Ich habe für den deutschen Hochsprung auch schon viel geleistet“, so Friedrich. Der DLV stellte sich schützend vor seine Athletin: „Ariane hat den besten Wettkampf des Jahres gemacht“, lobte Kurschilgen.

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