Olympia im Internet: Quantensprung mit Franzi und Stoffhund Lympi

Wie sich das Fernsehen im Internet selbst überholt

London. In Chipping Campden, heute ein 2000-Seelen-Kaff 120 Kilometer nordwestlich von London, wurden 1612 die „Cotswold Olimpick Games“ ausgetragen.

Bei diesem Vorläufer der modernen Olympischen Spiele gab es Hoch- und Weitsprung, Wettrennen, Ringkämpfe und sogar Jonglieren. 400 Jahre später jongliert nur noch das Internationale Olympische Komitee — mit Milliardensummen. Aber sonst haben sich eigentlich nur ein paar Kleinigkeiten geändert. Zum Beispiel: Das Fernsehen ist da.

Die Spiele in London, behaupten die Macher, haben in dieser Hinsicht einen Quantensprung gebracht. Auf mehr als 100 000 Stunden Fernsehbilder werde man am Ende kommen, sagte Timo Lumme von der IOC-Fernsehvermarktung. In Peking 2008 seien es noch 61 000 Stunden gewesen.

Zugleich würden dies die ersten Spiele sein, „bei denen die digitale Übertragung die traditionelle über den Fernseher übersteigen wird“. Soll heißen: Die zunehmend brillanten Bilder werden dank Internet häufiger auf dem Computer oder dem Handy angeschaut als auf dem Fernsehschirm selbst.

Die von ARD und ZDF angebotenen sechs parallelen Livestreams wurden jedenfalls fleißig genutzt. So fleißig, dass die Verbindung bisweilen abbrach, weil die Server-Kapazitäten nicht ausreichten. Von doppelt so hohen Abrufzahlen in der Mediathek berichtet etwa das ZDF. Dem Publikum brachte das mehr Wahlmöglichkeiten.

Das ist die gute Nachricht. Wer sich also von Franziska „Ich als Experte“ van Almsick oder Carsten „Jetzt wird zurückgeritten“ Sostmeier mal erholen wollte, wer vor der Studio-Langeweile mit Rudi Cerne oder sinnfreiem Oberschenkelumfang-Messen mit Michael Antwerpes flüchten wollte, der hatte reichlich Auswahl. Zum Beispiel: Den ganzen Tag Bogenschießen, Judo oder Fechten. Echt olympisch.

Die schlechte Nachricht: Die Hauptprogramme von ARD und ZDF hat das nicht unbedingt besser gemacht. Jetzt fällt erst so richtig auf, dass viele Reportagen, die sich live anhören, eigentlich nur Aufzeichnungen sind.

Außerdem sind Erklärstücke zu Randsportarten, Porträts von Athleten anderer Nationen oder Beiträge zu historischen Hintergründen fast völlig verschwunden. Man hat ja noch das Online-Angebot. Die Ausnahme: Hajo Seppelts fleißige Doping-Recherchen für die ARD. Von der „Doping-Task-Force“ des ZDF hat man weniger gehört.

Dafür haben die Mainzelmänner die olympische TV-Geschichte durch einen knuddeligen Basset bereichert. Das Publikum gab ihm den Namen Lympi. Und jetzt wird olympia-mäßig abgesahnt. Für 56,90 Euro ist Stoffhund Lympi ab 17. August im ZDF-Shop erhältlich. Wir sind ja nicht mehr in Chipping Campden.

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