Syrische Olympioniken verdrängen Bürgerkrieg

London (dpa) - Die fröhlichen Facebook-Bilder aus London waren Omar Hasanin ganz schnell peinlich. Quietschbunte Fotos von seinem Olympia-Abenteuer und den Attraktionen der Gastgeber-Stadt passten dann doch nicht zum Blutvergießen in der Heimat des syrischen Radsportlers.

Nach kurzer Zeit waren die Schnappschüsse wieder verschwunden. Worte des Mitleids für die vom Bürgerkrieg geschundenen Landsleute oder gar Kritik am grausamen Regime von Baschar al-Assad aber kommen kaum einem Mitglied des Olympia-Teams über die Lippen. „Wir sprechen nicht darüber“, beteuerte Schwimmerin Bayan Jumah. „Ich interessiere mich nicht so für Politik.“

Die Familie der 18-Jährigen kommt aus Aleppo. Dort tobt seit Wochen die Schlacht zwischen Aufständischen und Regierungstruppen. Hat Jumah Angst um ihre Angehörigen? „Nein, es ist nichts passiert“, versicherte sie im Aquatics Centre. Auf Nachfragen zum Assad-Regime reagierte sie wie die meisten syrischen Athleten eher unwillig. „Wir sind nicht hier, um über Politik zu reden, sondern über Sport“, knurrte auch der Boxer Wessam Slamana. Bohren die Reporter weiter nach, schreiten die Betreuer ein.

Es scheint in der Tat so, als bestehe die 28-köpfige syrische Delegation in der Mehrheit aus Getreuen des Assad-Regimes. Das gesamte Olympia-Team stehe hinter der Regierung und dem Präsidenten, behauptete die Leichtathletin Ghfran Almouhamad sogar. Die Unruhen in der Heimat hätten keinerlei Auswirkungen auf ihre Vorbereitung gehabt, erklärte sie der Nachrichtenagentur dpa.

Fast zu einem Politikum wurde der Start des Springreiters Ahmad Saber Hamcho. Der 19-Jährige verpasste auf seinem Pferd Wonderboy den Einzug ins olympische Einzel-Finale am Mittwoch und musste sich zudem kritischen Fragen stellen. Schließlich ist er der Sohn von Mohamed Hamcho, einem der reichsten Männer Syriens, der zudem als Finanzier von Assad gilt. Hamcho Senior hat daher ebenso Einreiseverbot in Großbritannien wie der syrische NOK-Chef, General Mowaffak Joumaa. Die britische Regierung hat sich von Assad deutlich distanziert.

Umso pikanter war das Gerücht, Olympia-Starter Hamcho sei mit Assad verschwägert. „Es gibt keine familiäre Verbindung“, konterte der Reiter. „Ich repräsentiere hier alle Syrer, und die sollten stolz auf uns Athleten sein“, fügte er hinzu. Vor den Sommerspielen hatte das noch etwas anders geklungen. Damals hatte der in London lebende Hamcho erklärt, er glaube nicht an Verbrechen des Assad-Regimes.

Delegationsleiter Baher Chataja bekannte nun immerhin, er sorge sich um seine in Aleppo lebende Familie. Kritik an der Regierung kommt aber auch ihm nicht über die Lippen.

Deutlich andere Töne waren nur von Schwimmer Azad Albarazi zu vernehmen. „Es bricht mir das Herz. Jeden Tag sterben Menschen, Häuser explodieren. Das ist nicht das, woran ich im olympischen Dorf denken will. Hier geht es um Frieden“, sagte der 24-Jährige. „Ich hoffe nur, dass das Töten ein Ende nimmt und es einen Wechsel gibt“, betonte Albarazi im Fachmagazin „Sports Illustrated“.

Konsequenzen für seine offenen Worte muss Albarazi indes kaum fürchten. Der Schwimmer lebt mit seinen Eltern in Kalifornien und könnte dank doppelter Staatsbürgerschaft auch für die USA starten. Die Gewalt und das Leid in Syrien kennt Albarazi nur aus dem Fernsehen.

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