Streit um Dopingstudie entbrannt

Berlin (dpa) - Sie sollte einen wesentlichen Beitrag zur Aufarbeitung der Doping-Vergangenheit in Deutschland leisten. Doch jetzt ist um die groß angekündigte Studie ein heftiger Streit entbrannt.

Ausgerechnet vor der Vorstellung des Abschlussberichts nach dreijähriger Forschung am Dienstag in Berlin stehen sich Wissenschaftler auf der einen und Politiker und Sportfunktionäre auf der anderen Seite gegenüber. Es geht um Geld-Streitigkeiten und den Vorwurf, Forschungsergebnisse verhindert zu haben. Die Studie ist unvollendet.

„Ich hatte den Eindruck, dass der Auftraggeber gar nicht an unseren Ergebnissen interessiert war“, sagte Sporthistoriker Erik Eggers. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der die Studie in Auftrag gegeben hatte, wehrt sich gegen den Vorwurf. „Offenbar wollen sie von ihren eigenen Versäumnissen ablenken. Sie haben sich vor Fertigstellung des Projekts einfach daraus verabschiedet, ohne die vertraglich fixierten Leistungen zu erbringen“, wird DOSB-Generaldirektor Michael Vesper in einer Mitteilung zitiert.

Dem widerspricht Eggers. „Wir haben einen über 800 Seiten langen Abschlussbericht fristgerecht eingereicht“, sagte er. „Wir hätten gerne unsere Ergebnisse vorgetragen.“ Können sie aber nicht, da sie für die Präsentation am Dienstag in Berlin gar nicht eingeladen wurden.

Der DOSB hatte 2009 die Studie mit dem Titel „Doping in Deutschland - von 1950 bis heute“ initiiert. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) stellte 450 000 Euro Steuergeld zur Verfügung. Zwei Forschergruppen der Berliner Humboldt und der Westfälischen Wilhelms Universität in Münster erhielten den Zuschlag. Jetzt, da der dritte und letzte Teil der Studie in der Hauptstadt vorgestellt wird, ist jedoch nur das Team aus Münster vor Ort. Somit bleibt die Studie, die bereits im vergangen Jahr brisante Ergebnisse hervorbracht hatte, unvollständig.

Denn große Teile der Projektphase von 2007 bis heute haben die Berliner nicht mehr bearbeiten können. Die Finanzmittel der Studie waren aufgebraucht. Ein Nachschlag sei zwar bewilligt worden. Ein konkretes BISp-Angebot sei allerdings erst vorgelegt worden, als die Mitarbeiter bereits weg waren. Es seien zudem juristische Hürden errichtet worden. Eine Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung verhinderte laut der Wissenschaftler die Veröffentlichung der Namen von wichtigen Funktionsträgern aus Politik und Sport.

Jeder einzelne Name hätte juristisch begründet werden müssen. „Es durfte nichts veröffentlicht werden, was der Auftraggeber nicht abgezeichnet hatte“, sagte ein Berliner Forscher, der ungenannt bleiben will. Eggers kritisiert „den Eingriff in die Autonomie der Wissenschaft“. Die Wissenschaftler glauben, dass der organisierte Sport die Veröffentlichung von Ergebnissen verhindern will, die aus Sicht der Auftraggeber besser im Verborgenen bleiben. So bemängelt einer der Forscher, dass die Zwischenberichte vom September 2011 trotz BISp-Ankündigung nie veröffentlicht wurden.

Das damalige Fazit lautete: staatlich subventioniertes Anabolika-Doping gab es auch in der Bundesrepublik. Das Olympia-Jahr 1976 stellte nach Forschermeinung eine Zäsur dar. „Als wir unsere Ergebnisse zum Anabolika-Missbrauch vorgelegt haben, wurde es für uns extrem schwierig weiter zu forschen“, betont Eggers.

Schwierigkeiten drohen den Forschern nun durch das Bundesverwaltungsamt. Das prüft nun nämlich, ob das BISp einen Teil der Förderungsgelder zurückfordern kann, weil das Projekt aus ihrer Sicht nicht abgeschlossen wurde. Der DOSB unterstützt das Ansinnen, „denn Forschungsförderung basiert auf Verlässlichkeit“. Diese habe die Berliner Projektgruppe aber vermissen lassen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort