Kerber vor WM: „Habe schon fast alle geschlagen“

Istanbul (dpa) - Als erste Deutsche seit Anke Huber vor elf Jahren hat sich Angelique Kerber für die Tennis-WM der besten acht Spielerinnen der Saison qualifiziert.

Von Dienstag an trifft die neue Weltranglisten-Fünfte aus Kiel in Istanbul in der roten Gruppe auf Victoria Asarenka, Serena Williams und Li Na. Im Interview der Nachrichtenagentur dpa spricht die 24-Jährige über ihre Verletzungspause, die Ziele für die WTA-Championships, Steffi Graf und auch über Kindergeburtstage bei ihrem Trainer Torben Beltz.

Frau Kerber, mit welchen Erwartungen starten Sie in Istanbul? Ihr Ziel kann ja nicht sein, nur ein Gruppenspiel zu gewinnen?

Kerber: „Nein. Ich bin erst mal stolz, dass ich das geschafft habe. Es ist ein Bonus-Turnier, das ich mir für die gute Saison erspielt habe. Ich bin aufgeregt, ich freu mich drauf, ich kann es kaum erwarten, weil ich gar nicht weiß, was mich dort erwartet. Ich werde es genießen und Spaß haben. Das Drumherum wird bestimmt nicht so sein wie bei einem normalen Turnier. Mein Ziel ist es, von Match zu Match zu schauen und mein Bestes zu geben. Mal schauen, wie weit es dann reicht und wie es dann ausgeht.“

Ist das Halbfinale ein realistisches Ziel?

Kerber: „Darüber denke ich überhaupt nicht nach. Wenn ich aus der Gruppe rauskomme, wäre es ein weiterer Erfolg. Ich gebe mein Bestes, der Rest wird von allein kommen.“

Aber Sie haben in diesem Jahr ja schon bewiesen, dass Sie gegen fast alle Konkurrentinnen aus den Top Ten gewinnen können.

Kerber: „Ich weiß natürlich, dass ich da mitspielen kann. Ich habe schon fast alle geschlagen. Nur Victoria Asarenka noch nicht. Aber es ist ein ganz anderes Turnier. Man muss am Ende eines langen Jahres noch einmal alle Reserven mobilisieren. Es wird in jedem Fall noch ein Highlight in diesem Jahr für mich sein.“

Spüren Sie zusätzlichen Druck durch die Tatsache, dass Sie es als erste Deutsche seit 2001 zur WM geschafft haben?

Kerber: „Ich spüre natürlich den Druck, aber ich versuche, ihn nicht an mich ranzulassen. Ich freue mich, dass Tennis so langsam wieder hochkommt nach den Jahren mit Steffi Graf und Anke Huber. Unser Ziel ist ja auch, dass Kinder wieder mehr Tennis spielen und in Zukunft wieder mehr gute Spieler aus Deutschland kommen.“

À propos Steffi Graf. Der letzte deutsche WM-Sieg gelang ihr 1996. Hatten Sie in letzter Zeit mal Kontakt zu ihr?

Kerber: „Ich hatte dieses Jahr in Wimbledon Kontakt und habe zehn Minuten mit ihr gesprochen. Das war aber auch das einzige Treffen. Aber sie wird bestimmt darauf schauen, wie wir Deutschen spielen und vielleicht auch, was in Istanbul passiert.“

Sie haben zuletzt nach ihrer verletzungsbedingten Aufgabe in Peking zwei Wochen pausiert. Was macht der Fuß?

Kerber: „Ich war noch vor ein paar Tagen beim Arzt und habe alles kontrollieren lassen. Ich habe keine Schmerzen mehr. Alles gut.“

Was hatten Sie denn genau?

Kerber: „Ich hatte Angst, dass es ein Ermüdungsbruch ist. Aber alle Ärzte haben das ausgeschlossen. Letzten Endes war es wohl einfach Überlastung. Das ist ja auch kein Wunder, so viele Matches wie ich in diesem Jahr gespielt habe. Aber ich habe das jetzt auskuriert.“

Sind Sie also zu 100 Prozent fit für Ihre Premiere bei der Tennis-WM?

Kerber: „Ja, keine Sorge, ich werde fit sein.“

Haben Sie sich speziell vorbereitet? Irgendetwas anders gemacht?

Kerber: „Wir sind schon am Freitag nach Istanbul geflogen. Wir wollten ein bisschen früher hinfahren, um noch ein paar Tage zum Trainieren zu haben. Es ist ein anderer Belag, der dort ausgelegt wird, deshalb wollte ich das komplette Wochenende schon dort sein.“

War es die richtige Entscheidung, zu pausieren oder wäre nicht eine echte Turnier-Generalprobe in Luxemburg wichtig gewesen?

Kerber: „Ich wollte in Luxemburg spielen, die Entscheidung fiel mir nicht leicht. Ich habe immer hin und her überlegt, aber im Endeffekt war es die beste Entscheidung im Hinblick auf Istanbul, damit ich dort fit bin und ohne Schmerzen spielen kann. Klar wäre ein Turnier vorher auch hilfreich gewesen. Aber fit und ausgeruht und vor allem vom Kopf her frei zur WM zu fahren, ist auch eine gute Sache.“

Sie haben einen rasanten Aufstieg hinter sich, sind mittlerweile die Nummer fünf der Welt - und wirken trotzdem noch recht entspannt und relaxt? Stört Sie der ganze Rummel nicht auch ein bisschen?

Kerber: „Natürlich kriege ich das mit. Ich möchte mich aber nicht verändern. Das habe ich mir zum Prinzip gemacht. Ich möchte die Angelique bleiben, die ich davor auch war. Natürlich habe ich jetzt viel mehr Anfragen, aber auch da habe ich mich weiterentwickelt, bin viel offener geworden als früher. Ich bin zwar jetzt die Nummer fünf der Welt, aber auch noch immer die Angelique Kerber.“

Sie haben immer wieder gesagt, dass neben der mentalen Stärke und der körperlichen Fitness auch Ihr neu geordnetes Umfeld mit Trainer Torben Beltz ein weiterer Schlüsselfaktor für Ihren Erfolg ist.

Kerber: „Ich habe in diesem Jahr so viele Dreisatz-Matches gespielt. Noch vor ein paar Jahren habe ich zwei Partien nacheinander gemacht und war dann platt. Die Fitness habe ich verbessert, aber ich weiß, da geht noch viel mehr. Und was das Mentale betrifft, habe ich auch gezeigt, dass ich gerade in engen Situationen stärker geworden bin und Spiele gedreht habe, auch wenn ich Matchball gegen mich hatte.“

Und Ihr Verhältnis zum Trainer ist sogar so gut, dass Sie in der vergangenen Woche beim Kindergeburtstag seiner Tochter waren.

Kerber: „Ja, wir hatten gerade in der Nähe trainiert. Sie wurde drei, und da habe ich gesagt, ich komm mal wenigstens auf ein kleines Stück Kuchen vorbei und überreiche ihr ein kleines Geschenk.“

Und den Kuchen hat Ihr Trainer erlaubt?

Kerber: „Ja, ein kleines Stück hat er mir erlaubt.“

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