Tomas Seyler bei Dart-WM mit Doppelrolle

London (dpa) - Wenn die Dart-WM beginnt, ist Tomas „Shorty“ Seyler doppelt gefordert. Er will nicht nur mit den Pfeilen ins Schwarze treffen, sondern auch mit seinen Worten. In London ist der mehrfache deutsche Meister einerseits ambitionierter Teilnehmer und andererseits kritischer TV-Kommentator.

„Die Rolle des Sprechers und nicht des Mitfiebernden ist besonders“, erklärt der 39-Jährige. „Klar, bleibe ich schon ein bisschen patriotisch und euphorisch, wenn meine beiden deutschen Mitspieler am Start sind - auch wenn unsere Chancen nicht sonderlich groß sind.“

Neu ist die Aufgabe als Fernsehexperte für den Bremer nicht. Schon das ganze Jahr über kommentiert er den Profi-Dartsport beim Sender Sport1, der einige Turniere und jetzt auch die WM überträgt. Für den Saisonhöhepunkt sind 60 Stunden Live-Berichterstattung geplant. „Ich mache das frei Schnauze und gehe einfach genauso ab wie die Jungs an den Pfeilen. Aber vielleicht bin ich auch mal mundfaul“, gesteht er.

Sein Fokus liegt trotzdem klar auf dem eigenen Abschneiden. Dafür trainiert Seyler bis zu 15 Stunden pro Woche - ohne Trainer. „Aber nach acht Stunden geht es einem schon irgendwann mal auf die Nerven“, scherzt er. Die im Profi-Dartsport so extrem wichtige Konzentration verschwindet nach einer gewissen Zeit eben auch. Zwar ist das Pfeilewerfen ein Sport, der ohne Zweifel mehr Präzision und Geschicklichkeit als Kraft und Schweiß erfordert, aber keinesfalls weniger anstrengend ist. „Sobald man den Fuß auf die Linie stellt, muss man ganz für sich allein sein“, sagt Seyler. 90 Prozent eines guten Resultats entscheiden sich im Kopf, glaubt er.

Eine extreme Herausforderung erwartet die deutschen Dartspieler nun in London. Das Turnier läuft insgesamt 16 Tage, über eine Million britische Pfund werden ausgezahlt. „Du weißt, wie der Kram funktioniert, aber wenn 3500 Engländer um dich herum eine Party feiern und du dich konzentrieren musst, acht Millimeter Feld aus 2,37 Metern Entfernung zu treffen, wird es herausfordernd“, sagt Seyler. Die Spieler aus dem „Dart-Entwicklungsland Deutschland“ kommen auf einen Schlag vor 44 Grad warme Scheinwerfer und 13 TV-Kameras. Seyler nimmt nun zwar schon das vierte Mal bei der WM teil - es bleibt aber immer noch etwas Besonderes. „Am Mikro wird jeder Wurf kommentiert und nach der Auszählung tobt die Halle“, schildert „Shorty“.

Seinen Spitznamen hat er als Neunjähriger bekommen. Damals, vor 30 Jahren, fing er mit Dart an. Inzwischen dominiert Seyler die deutsche Szene. Die Faszination Mann gegen Mann treibt ihn stets weiter an. „Wir betreiben ja zum Glück keinen Sport mit Ablaufdatum“, sagt er, auch wenn körperliche Verschleißerscheinungen im Handgelenk oder an der Hüfte im Alter auftreten können, „schließlich sind wir ja nun einmal alle nicht die schlanksten“. Möglicherweise hat Seyler mit seiner Erfahrung aber auch Vorteile im Vergleich zu Jüngeren. Der englische Altmeister Phil Taylor dominiert trotz seiner 53 Jahre als sechzehnfacher Weltmeister und Weltranglistenerster die ganze Szene.

Hoffnungen auf gute Ergebnisse gibt es aber auch im Deutschen Dart-Verband. „Wenn unsere Spieler immer mehr im Fernsehen sind, bringt das den Sport in Deutschland immer weiter nach vorne“, prognostiziert Verbandspräsidentin Claudia zum Felde. Trotzdem fehlen vor allem Sponsoren. Den Nachwuchs verliere man oft durch die erste Freundin oder Outdoor-Sportarten. „Wenn von zehn zwei durchkommen, die weiter machen wollen, sind wir schon zufrieden“, sagt Seyler.

Einer aber hat es nun schon einigermaßen weit gebracht: Neben Seyler und seinem langjährigen Doppelpartner Andree Welge spitzt bereits zum zweiten Mal der 17 Jahre alte Youngster Max Hopp die WM-Pfeile. „Er wird nach den vielen Strauchlern im Vorjahr nun stabiler. Max hat wieder Lust, ich sehe wenig Probleme für ihn, sich festzubeißen“, kommentiert Seyler - demnächst dann auch wieder für die Zuschauer vor dem Fernseher.

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