Turn-Verletzungen bremsen Olympia-Vorbereitung

Brüssel (dpa) - Ein Sehnenriss im Fuß, eine Quetschung des Rückennervs, ein verstauchter Knöchel - 80 Tage vor Beginn der Olympischen Spiele in London sind die Vorbereitungen der deutschen Top-Turnerinnen empfindlich gestört.

Gleich fünf Athletinnen sind mehr oder weniger stark angeschlagen.

Ob die unheimliche Verletzungsserie angesichts der harten Trainingseinheiten bis London in den Griff zu bekommen sind, scheint fraglich. „Bei Olympia in Peking sind wir mit drei angeschlagenen Athletinnen angereist. Diesen Fehler wollen wir in London nicht wiederholen“, erklärte Cheftrainerin Ulla Koch, räumte aber ein: „Vor allem die Füße bereiten uns große Sorgen.“

Den jüngsten Dämpfer musste die Riege unmittelbar vor der am Donnerstag beginnenden EM in Brüssel hinnehmen. Medaillenkandidatin Elisabeth Seitz sagte wegen einer verhärteten Rücken-Muskulatur ab und ließ vage Hoffnungen auf eine vordere Team-Platzierung platzen.

„Bei Training auf der extrem harten Boden-Matte hat der Rücken dicht gemacht. Es ging nichts mehr“, berichtete Ulla Koch. Ihre Ursache haben die muskulären Probleme der Vize-Europameisterin in einer langwierigen Fußverletzung, die sie im Training zu einer ständigen Schonhaltung zwang. „Wir wollten sie nicht gesund spritzen und ein Risiko in Richtung Olympia eingehen“, begründete Koch die Entscheidung, Pia Tolle für die EM-Riege nachzunominieren. Die ursprünglich als Ersatzturnerin vorgesehene Isabell Marquard kam wegen einer Achillessehnen-Verletzung für die EM nicht mehr infrage.

Doch auch Pia Tolle hatte sich im November einen Bänderriss im Fußgelenk zugezogen und bis ins Frühjahr nur eingeschränkt trainieren können. Nicht viel besser geht es Newcomerin Nadine Jarosch. Die WM-Zehnte im Mehrkampf konnte wegen anhaltender Fußprobleme noch keinen kompletten Vierkampf turnen. Die Detmolderin hatte schon ihre Starts bei den Weltcups in New York und Cottbus abgesagt. „Der Fuß muss weiter geschont werden. Sie wird nicht am Boden turnen“, entschied Ulla Koch.

Angesichts der zahlreichen Verletzungssorgen ist die Chefin froh, dass wenigstens ihr Zugpferd Oksana Chusovitina erstmals in diesem Jahr beschwerdefrei scheint. Bei der WM in Tokio war die Vize-Weltmeisterin noch mit einem Riss in der Bauchmuskulatur gestartet. Im Frühjahr hatte sie sich einen Rückennerv eingeklemmt und konnte erst beim Länderkampf in Ulm den verspäteten Saisoneinstieg geben.

So sind die Erwartungen an die Olympia-Zweite bei ihrem Auftritt in Brüssel eher gemäßigt. „Oksana hat große Probleme mit dem Sprungbrett. Es ist ihr einfach zu weich. Daher kann sie möglicherweise nur einen Sprung absolvieren“, kündigte Koch nach dem Training an. Damit wären die Chancen auf eine erneute Sprungmedaille für die 36-jährige Oldtimerin aus Usbekistan dahin.

Für Elisabeth Seitz gilt unterdessen mehr denn je die Devise: „Ich muss meinen Fuß schonen und ihn langsam nach London bringen.“ Im Training trägt sie wegen des Sehnenrisses am Knöchel seit Monaten eine Orthese, eine Bandage mit eingesetzter Plastik-Schiene.

Die EM-Qualifikation am Donnerstag in der Expo-Arena wird nun zeigen, ob die Deutschen angesichts dieser Voraussetzungen an die Höhenflüge des Vorjahres anknüpfen können. In Berlin hatten sie mit drei EM-Medaillen das beste Ergebnis in der Geschichte des Deutschen Turner-Bundes (DTB) erzielt und sich in Tokio als WM-Sechste unerwartet die direkte Qualifikation für Olympia erkämpft. Bei der WM waren sie viertbestes europäisches Team, in Brüssel scheint eine solche Platzierung Utopie.

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