Wie Rehm Kritik an seinem historischen Start kontert

Der Leverkusener Leichtathlet springt mit Prothese bei den Meisterschaften der Nichtbehinderten.

Ulm. Der Leverkusener Markus Rehm (25) wird als erster Behindertensportler an den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Ulm teilnehmen. Diskutiert wird, ob seine Beinprothese beim Weitsprung einen Vorteil bringt.

Herr Rehm, sind Sie aufgeregt?
Markus Rehm: Ich bin relativ entspannt, Diskussion hin oder her. Ich versuche Bestleistung zu bringen.

Ihre Bestleistung im Weitsprung steht bei 7,95 Metern. Zehn Zentimeter weiter, und Sie hätten die Norm für die EM im August in Zürich geschafft.
Rehm: 8,05 Meter ist schon eine Wahnsinnsweite, aber es ist nicht utopisch. Zehn Zentimeter sind nicht die Welt. Doch allein eine Acht vor dem Komma wäre riesig.

Falls Sie die EM-Norm übertreffen: Fahren Sie dann zur EM der Nichtbehinderten?
Rehm: Wenn ich gefragt werde und mitfahren darf, dann sehr gerne. Da müssen aber viele Dinge perfekt laufen.

Wie ist Ihnen der DLV begegnet, wie reagieren nichtbehinderte Weitspringer auf Ihren Start?
Rehm: Mit dem DLV habe ich sehr angenehme Gespräche geführt. Auch mit dem ehemaligen Europameister Christian Reif gibt es einen guten Kontakt. Wir gehen an das Thema realistisch ran. Es gibt aber auch andere Athleten, denen es nicht so gut gefällt und die meinen Start nicht so entspannt sehen.

Technik entwickelt sich immer weiter. Auch bei der Entwicklung von Beinprothesen gibt es keinen Stillstand - oder?
Rehm: Sicher nicht. Bei einer Prothese ist das so ein Problem. Ich habe an meiner Prothese lange nicht geschraubt oder sie optimiert. Aber man muss Teile ersetzen, wie die Feder, die absplittert. Man muss Dinge erneuern, weil sie einen Verschleiß haben. Das ist nicht leistungssteigernd und eher wie das Erneuern von Spikes, die von Läufern ja auch nicht ein Leben lang getragen werden. Aktuell habe ich keine technischen Möglichkeiten der Leistungssteigerung — und werde einen Teufel tun, dies zu ändern.

Sie sind Orthopädietechniker und wissen, dass es auch beim Prothesenbau Fortschritte geben wird.
Rehm: Vielleicht gibt es irgendwann neue Materialien. Aber ich glaube, dass ich da schon weit vorne bin. Vielleicht kann man die Formen der Prothese mal ändern, doch wenn ich die Starterlaubnis bei den Nichtbehinderten bekomme, werde ich da nichts verändern, sondern nur Teile auswechseln. Nachweislich die gleichen Teile.

Bei den deutschen Meisterschaften werden biomechanische Messungen Ihrer Sprünge gemacht. Ein wissenschaftlicher Beweis, ob die Beinprothese einen Vorteil verschafft oder nicht, ist das nicht.
Rehm: Auf gar keinen Fall. Ich werde mich nicht auf so eine Messung verlassen. Ich bin fair genug und will wissen, ob die Prothese einen Vorteil verschafft oder nicht. Sonst kann ich mich über meine Erfolge nicht freuen.

Sind Sie der Oscar Pistorius Deutschlands? Der Südafrikaner hat sein Startrecht bei Olympia erstritten.
Rehm: Er hat den Behindertensport weit nach vorne gebracht. Jetzt stoße ich das Thema in Deutschland an. Vielleicht ist man ein Vorreiter. Es wird nicht Regel werden, dass zehn behinderte Weitspringer das Feld von Nichtbehinderten überrollen. Man muss Talent haben, viel trainieren und eine perfekt abgestimmte Prothese als Ersatzgliedmaß haben, um Leistungen zu bringen. Keiner muss Angst haben.

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