Neue Horizonte: Groß jetzt Biathlon-Trainer in Russland

Östersund (dpa) - Die russische Mentalität gefällt Ricco Groß. Wäre da nicht die Sache mit dem hochprozentigen Nationalgetränk.

Neue Horizonte: Groß jetzt Biathlon-Trainer in Russland
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„Wenn ich den Wodka nicht mittrinken muss, sehr gut“, antwortet der 45-Jährige mit einem Augenzwinkern auf die Frage, wie er als neuer Männer-Coach der russischen Biathleten mit den dortigen Gepflogenheiten klar kommt. Auf Groß lastet eine hohe Erwartungshaltung, denn im größten Land der Welt ist Biathlon wie in Deutschland eine große Nummer. Selbst Präsident Wladimir Putin, den Groß schon kurz getroffen hat, ist Fan: „Ich weiß um die Verantwortung meiner Aufgabe auf mehreren Ebenen.“

Der Verband will Siege sehen, auch wenn Groß von keinen Medaillenvorgaben spricht. Er soll um den Star Anton Schipulin mit Blick auf die Olympischen Spiele 2018 ein schlagkräftiges Team formen. Dieser Herausforderung stellt er sich. „Alles andere als der Kampf um Titel wäre eine Enttäuschung. Wir wollen uns in jedem Rennen gut präsentieren“, erklärt Groß. Zugleich warnt er vor einem Doping-Generalverdacht gegenüber seinen Athleten und betont: „Ich bin gegen jede Art von Doping.“

Seine ersten Erfahrungen sind positiv. „Es ist vieles anders, als ich es bislang gewohnt war. Aber ich bekomme viel Unterstützung. Die Sportler sind hochmotiviert“, erklärt Groß. Einige seiner Erfahrungen aus dem „sehr gut geregelten deutschen System“ hätten erst einmal für Erstaunen gesorgt: „Wenn sie aber sehen, dass es sinnvoll ist, gehen sie jeden von mir geforderten Weg mit.“

Groß kennt jede Facette des Biathlon-Sports. Zwischen 1990 und 2007 gewann er für den Deutschen Ski-Verband (DSV) 28 Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, davon viermal Olympia- und neunmal WM-Gold. Später war er drei Jahre lang ARD-Experte, dann ab 2010 an der Seite von Gerald Hönig Co-Trainer der deutschen Damen. Zudem arbeitete er als Stützpunkttrainer in Ruhpolding. Doch nach dem Olympia-Debakel in Sotschi ohne Medaille - inklusive dem Dopingfall Sachenbacher-Stehle - wurde er in die zweite Reihe versetzt.

Dann kam das Angebot aus Russland, und Groß konnte nicht Nein sagen. Auch wenn ihm der Wechsel nicht leicht gefallen ist. „Ich war ja mehr als ein sportliches Leben lang mit dem DSV verbunden. Aber die Herausforderung, die das russische Angebot darstellte, war so interessant, dass nicht viel Zeit für Wehmut blieb“, meint der dreifache Familienvater, dem seine DDR-Schulbildung nun zu Gute kommt: Denn ein paar Brocken Russisch sind hängen geblieben.

Ganz ohne Nebengeräusche ging die Trennung aber nicht vonstatten. „Natürlich gab es auch ein paar Probleme. Es wäre falsch, dies abzustreiten. Aber wo gibt es die nicht“, erklärt Groß: Eine Rückkehr ins deutsche Team ist nicht unmöglich: „Ich habe jedenfalls keine Türen verschlossen.“

Groß steht vor einer besonderen Herausforderung. Der russische Sport steckt nach dem schockierenden WADA-Bericht über flächendeckende Dopingstrukturen in der Leichtathletik in seiner tiefsten Krise. Auch die russischen Skijäger haben in der Vergangenheit immer wieder durch Doppingfälle für Negativ-Schlagzeilen gesorgt. Kurz nach seiner Unterschrift in Russland sperrte der Weltverband IBU die drei Biathleten Alexander Loginow, Jekaterina Jurjewa und Irina Starych.

„Natürlich haben wir dieses Thema in den Gesprächen sehr ausführlich behandelt. Der Verband weiß, dass ich jede Form von Betrug im Sport ablehne“, erklärt Groß, der seine Athleten in Schutz nimmt: „Ich bin aber auch gegen jede Art von Verallgemeinerung und Vorverurteilung.“

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