Nach dem Tief: Biathleten bei WM im Angriffs-Modus

Kontiolahti (dpa) - So forsch waren die deutschen Biathleten schon lange nicht mehr. „Wer eine Medaille möchte, muss erst einmal an uns vorbei“, sagt Franziska Hildebrand und unterstreicht damit das wiedergewonnene Selbstbewusstsein.

Nach dem Tief: Biathleten bei WM im Angriffs-Modus
Foto: dpa

Beim Auftakt der Weltmeisterschaft in Kontiolahti leisten sich die Skijäger sogar den Luxus, in der Mixed-Staffel auf ihre Besten zu verzichten. Nicht Franziska Hildebrand, Laura Dahlmeier, Arnd Peiffer und Simon Schempp, sondern Luise Kummer, Franziska Preuß, Daniel Böhm und Benedikt Doll laufen.

Der dreimalige Olympiasieger Michael Greis wundert sich bereits, dass „Deutschland nicht in Bestbesetzung“ antritt. „Vor diesem Hintergrund muss man mit den Erwartungen sicher vorsichtiger sein, wenngleich alle vier zu großen Leistungen fähig sind“, schrieb der Allgäuer in seiner Kolumne für „eurosport-yahoo.com“.

Titelverteidiger Norwegen macht es im Mixed ähnlich wie die Deutschen, verzichtet auf Rekordweltmeister Ole Einar Bjørndalen und Emil Hegle Svendsen. Die Franzosen dagegen laufen in Bestbesetzung mit Weltcup-Spitzenreiter Martin Fourcade.

Männer-Bundestrainer Mark Kirchner wollte Kritik erst gar nicht aufkommen lassen. „Wir haben sechs homogene und leistungsstarke Athleten. Die WM ist lang und hart.“ Auch Damen-Bundestrainer Gerald Hönig erklärte so seine Aufstellung. „Wir haben extrem schwere Bedingungen. Das zweite Wochenende mit Massenstart und Frauen-Staffel, das sind dann die Wettkämpfe, wo wir wirklich noch ein paar Pfeile im Köcher haben wollen, um dann unsere Medaillen-Chancen, die ich dort am meisten sehe, nutzen zu können.“

In Sprint und Verfolgung am ersten WM-Wochenende gehören Schempp und Peiffer zu den Mitfavoriten und werden deshalb genau wie Franziska Hildebrand und Laura Dahlmeier geschont. „Ich bin in diesem Jahr achtmal im Weltcup auf dem Siegerpodest gestanden. Da kann ich ja schlecht sagen, dass das bei der WM nicht möglich ist“, gab sich der dreimalige Saison-Sieger Schempp selbstbewusst.

Nach den historischen Tiefs in den letzten beiden Jahren haben sich die Deutschen in diesem Winter so gut verkauft, dass es wieder Erwartungen gibt. Bei der WM 2013 in Nove Mesto und bei Olympia 2014 in Sotschi sprangen jeweils nur zwei Medaillen heraus, Gold war nicht dabei. Nun hofft eine der gewinnbringendsten Sparten im Deutschen Skiverband (DSV) nach 23 Podestplätzen in dieser Saison auf reiche WM-Ausbeute.

Die Stars von einst trauen dem Team viel zu. „Ich denke, wir können einiges erwarten“, prophezeit Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner. Für Michael Greis sind die „Aussichten so gut wie schon lange nicht mehr“. Auch Andrea Henkel glaubt an „einige Medaillen“. Kati Wilhelm kommt bei ihrer Hochrechnung sogar auf sechsmal Edelmetall und ist selbst überrascht: „Oh Gott, das sind ja Zahlen aus der guten alten Zeit.“

Mit die besten Tage erlebte das deutsche Team bei der WM 1999 - ebenfalls in Kontiolahti. Auch wenn nahe der russischen Grenze wegen eisiger Temperaturen nicht viel ging und die Titelkämpfe erst vier Wochen später beim Weltcup-Finale in Oslo beendet wurden. Zehn DSV-Medaillen gab es seinerzeit, sechs goldene waren darunter. Und es gab viele skurrile Begebenheiten, um die WM zu retten.

„Diejenigen, die dabei waren, erzählen noch heute Horrorgeschichten“, sagt Schempp. Nach den ersten Trainingseinheiten im Schmuddelwetter freute sich die Medaillenhoffnung über die moderaten Temperaturen. „So kalt ist es ja zum Glück nicht.“ Deshalb wird Franziska Preuß ihre dicken Klamotten, die sie extra eingepackt hat, nicht benötigen.

„Alle freuen sich, bei der Biathlon-WM zu sein“, sagt Hönig. Er verweist darauf, dass er viele Neulinge im Team hat. Und weil die WM wegen der Kältegefahr später als üblich beginnt, gibt es auch viele Fragezeichen. „Jetzt muss man sehen, ob die Körner noch ausreichen“, ergänzt Hönig. Topfavoriten bei den Damen sind die beiden Führenden im Gesamtweltcup, die dreimalige Olympiasiegerin Darja Domratschewa aus Weißrussland und die Finnin Kaisa Mäkäräinen, die in Joensuu, nur wenige Kilometer vom WM-Stadion entfernt wohnt.

Andere Nationen haben dagegen Sorgen. Ausgerechnet beim letzten Weltcup in Oslo trumpften die Deutschen mit dem Sprint-Sieg von Arnd Peiffer auf, wurde die Misere der sonst so erfolgsverwöhnten Norweger offensichtlich. Emil Hegle Svendsen meldete sich wegen einer Erkältung krank ab, Rekord-Weltmeister Ole Einar Bjørndalen suchte die Form im Höhentrainingslager. Tarjei Bø ist nach gesundheitlichen Problemen völlig außer Tritt. Auch Gesamt-Weltcupsieger Martin Fourcade aus Frankreich schwächelte im Saisonverlauf ein wenig, ist aber seit Oslo wieder in der Spur.

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