„Eidechse auf Eis“: Fernandez holt WM-Gold für Spanien

Shanghai (dpa) - Kein Osterhase aus Schokolade war vor Javier Fernandez sicher. Ziemlich gut gelaunt, mampfend und mit viel Charme überstand der erste spanische Eiskunstlauf-Weltmeister die 60-minütige Pressekonferenz um Mitternacht in Shanghai.

„Eidechse auf Eis“: Fernandez holt WM-Gold für Spanien
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„Die Goldmedaille übersteigt meine höchsten Träume. Wissen Sie, meine erste kleine Trainingshalle in Madrid ist heute ein Restaurant“, erklärte der Wintersport-Exot und brachte Konkurrenten, Trainer und Reporter zum Lachen. Die spanische Presse feierte ihn als „Eidechse auf dem Eis“. Er war stets nervös und unruhig in der Schule, seine Kameraden gaben ihm den Spitznamen. Nun gratulierte ihm Ministerpräsident Mariano Rajoy per Twitter zur historischen Leistung.

Mit einer Liebeserklärung an seine japanische Freundin Miki Ando beendete Fernandez die unterhaltsame Fragestunde: „Sie ist eine zweimalige Weltmeisterin, sie hilft mir und ein Stück der Medaille gehört ihr.“ Wegen der Affinität zu Asien und seines großen Show- und Sprungtalents nahmen es ihm die 17 000 Zuschauer im Oriental Sports Center auch nicht übel, dass er als „Barbier von Sevilla“ erstmals Olympiasieger und Trainingskollege Yuzuru Hanyu übertrumpfe.

Hunderte von Teddybären prasselten für den Japaner auf das Eis, obwohl der Titelverteidiger nach Knöchelproblemen den Vierfach-Salchow aufriss und beim Toeloop stürzte. Nicht viel weniger Begeisterung löste danach der Energie-geladene dreimalige Europameister mit seinen gestandenen zwei Höchstschwierigkeiten aus. Die beiden Kumpel lagen sich hinterher vor Freude in Armen. Kurios war die Situation wieder einmal für Ex-Weltmeister Brian Orser, der an der Bande mit beiden mitfieberte.

„Mein Coach ist wie mein Vater, mein Freund und mein Feind. Er bringt mir Medikamente, wenn ich krank bin und kocht für mich. Aber wenn ich nicht trainiere, wird er richtig böse“, erzählte Fernandez. Und genau deshalb verließ der Anhänger von Real Madrid früh seine Heimat Richtung Toronto. Wie einst die Koreanerin Kim Yu-Na und zuletzt Hanyu soll Orser ihn zum Olympiasieger 2018 machen. „Ich versuche, diesen schönen Sport in Spanien zu entwickeln und ich versuche, selbst darin zu wachsen“, sagte der bescheidene 23-Jährige: „Wenn du nicht arbeitest, schaffst du es nicht.“

Peter Liebers schaute genau hin, wie der willensstarke Südeuropäer triumphierte. „Er leidet sehr“, sagte Trainerin Viola Striegler über den Berliner, der sein Repertoire in der Kür nicht mehr zeigen durfte. Mehrmals im Jahr nimmt der 26-Jährige Choreographie-Unterricht im feinen Toronto Cricket-Club, steht gemeinsam mit Fernandez und Hanyu auf dem Eis. „Wir werden weitere Kooperationen mit den Kanadiern eingehen, denn wir müssen richtig wirbeln“, sagte Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union (DEU). Nicht nur die Läufer, auch die Trainer müssten mehr geschult werden.

Ein Blackout wie bei dem Olympia-Achten Liebers im Kurzprogramm kann passieren, unentschuldbar ist dagegen das deutsche Gesamtergebnis in China mit ausschließlich vorletzten Plätzen. Nur die Hoffnung auf einen Start der noch gesperrten Medaillenhoffnung Aljona Savchenko/Bruno Massot ist kein Rezept für die Zukunft.

WM-Debütantin Nicole Schott aus Essen kam auch nur auf Platz 23, muss allerdings in ihrer ersten internationalen Saison noch nicht mit der Spitze um Weltmeisterin Elisaweta Tuktamyschewa verglichen werden. Beide sind 18 Jahre alt, doch die Russin hat eine ganz andere Ausbildung erhalten, muss nicht täglich zur Schule und ist nur eine von vielen Hoffnungen in dem Wintersportland.

Trainer Alexej Mischin ließ sie diese Saison überall auf der Welt 13 Wettkämpfe laufen - völlig ungewöhnlich für Eiskunstläufer. „Meine Söhne sind Tennistrainer, deshalb habe ich mir überlegt, dass mehr Herausforderungen auch in unserem Sport nicht schaden können“, sagte der St. Petersburger.

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