Pechstein trägt EM-Hoffnungen

Heerenveen (dpa) - Der langjährige Trainer von Claudia Pechstein sollte es wissen. Joachim Franke ist überzeugt, dass die Eisschnelllauf-Altmeisterin auch bei den Europameisterschaften in Heerenveen eine Medaillenchance besitzt.

„Eine große sogar“, sagt der Ruheständler überzeugt, bevor Pechstein und andere ehemalige Schützlinge ihn bei seiner Stippvisite an der Eisbahn in Berlin-Hohenschönhausen mit großem Hallo begrüßen.

Franke möchte sich anschauen, wie es um die Form der Athleten vor der Abreise in die Niederlande bestellt ist. Pechstein gibt sich wie stets zurückhaltend, obwohl die 40-Jährige im Training einen starken Test über die ungewohnten 500 Meter absolviert hat. Sollte es auch über 1500, 3000 und 5000 Meter klappen, gibt sich Pechstein ein Jahr nach EM-Platz zwei eine Chance auf ihre 58. internationale Medaille. „Die Frage ist halt, was die anderen fünf, sechs Medaillenkandidaten machen“, betont sie. Zuletzt war dreimal in Serie ihre tschechische Freundin Martina Sablikova Europas Beste, die Olympiasiegerin zählt sich nach einer Wirbelblockade aber nicht zu den Favoritinnen.

Eine Bürde ist Pechstein genommen, seit die Bundespolizistin mit dem Innenministerium einig ist, wie Dienst und Sport unter einen Hut gebracht werden können. Die Berlinerin hatte zuvor unbezahlten Sonderurlaub für Wettkämpfe nehmen müssen. „Das ist eine Baustelle weniger, aber es bleiben noch genügend andere“, sagt Pechstein und verweist auf die Millionen-Klage gegen den Eislauf-Weltverband ISU und die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft wegen ihrer zweijährigen Sperre. „Es ist so, dass ich immer noch eine Menge Rechnungen zu bezahlen habe“, betont die dreimalige Europameisterin.

Dazu kommt die sportliche Unsicherheit nach gut einmonatiger Wettkampfpause. Die Terminplanung der ISU sei Jahr für Jahr nicht nachvollziehbar, meint Pechstein. „Wenn man als Mittel- oder Langstrecklerin keine Mehrkampf-EM läuft, hat man vom ersten bis zum zweiten Weltcupblock sogar mehr als zwei Monate Pause. Das finde ich schon ein bisschen bescheuert“, sagt die Olympiasiegerin.

Um eine derart lange Pause zu vermeiden, startet auch Stephanie Beckert bei der EM, obwohl sie im Gesamtklassement nicht vorn landen wird. Für eine bessere 500-Meter-Zeit müsste die Erfurterin nicht zuletzt an ihrem Start feilen, doch sie sagt: „Das ist immer ein Risiko wegen des Rückens.“ Dem geht es derzeit gut, so dass die Olympiasiegerin über starke 3000 Meter am Samstag zumindest den Sprung ins 5000-Meter-Finale schaffen will. Dritte deutsche Starterin ist die Berlinerin Isabell Ost.

Ins Finale der besten Acht will ab Freitag auch Moritz Geisreiter, dem Inzeller Langstreckler liegen die 500 Meter aber ebenfalls nicht. Das von Pechstein kritisierte große Loch im Wettkampfkalender findet auch der Zwei-Meter-Mann „tatsächlich ein bisschen eigenartig“.

Robert Lehmann hat mit der EM-Qualifikation sein Saisonziel erreicht. Vier Jahre nach Platz sechs in Heerenveen, wo er 2009 sogar Dritter über 500 Meter war, rechnet der Erfurter diesmal nicht mit dem Finale. „Damals bin ich 36,3 gelaufen, letzte Woche bin ich bei 37,8 rumgekrepelt“, gesteht er offenherzig. Der am Mittwoch 29 Jahre alt gewordene Lehmann möchte sich vor 13 000 Fans in der Thialf-Arena zumindest für die Allround-WM Mitte Februar in Hamar qualifizieren. Vorjahressieger und Weltmeister Sven Kramer will mit dem sechsten EM-Titel den Rekord seines Landsmanns Rintje Ritsma einstellen.

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