Analyse: Ein Berg von Vorwürfen gegen Zschäpe

Karlsruhe (dpa) - Genau ein Jahr, nachdem sich die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe der Polizei stellte, präsentierte der Generalbundesanwalt eine maximale Anklage: Die einzige Überlebende der „Zwickauer Zelle“ soll als Mittäterin voll verantwortlich sein für sämtliche Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“.

Und das nicht nur bei den Morden und Bombenanschlägen des Trios, sondern auch bei den zahlreichen Banküberfällen.

Juristisch gesehen macht es keinen Unterschied, wenn jemand als Mittäter im Hintergrund bleibt, von dort aus aber einen wesentlichen Beitrag zur Tat erbringt. Dem Mittäter eines Mordes droht genauso die lebenslange Freiheitsstrafe wie demjenigen, der den Abzug der Waffe drückt. Zschäpe, so argumentiert die Anklage, hatte „die unverzichtbare Aufgabe, dem Dasein der terroristischen Vereinigung den Anschein von Normalität und Legalität zu geben“. Sie habe für die „unauffällige Fassade“ gesorgt, ohne die der jahrelange Terror aus dem Untergrund nicht möglich gewesen wäre.

Die Bundesanwaltschaft sieht die 37-Jährige nicht als harmloses Heimchen am Herd, sondern als gleichberechtigtes Mitglied der Terrorgruppe. Sie habe das Geld der Gruppe verwaltet, und auch dabei geholfen, gefälschte Dokumente und mindestens eine Waffe zu beschaffen. „Die NSU-Mitglieder verstanden sich als einheitliches Tötungskommando, das seine feigen Mordanschläge aus rassistischen und staatsfeindlichen Motiven arbeitsteilig verübte“, sagte Generalbundesanwalt Harald Range.

Neben Zschäpe sind vier mutmaßliche Gehilfen und Unterstützer des Trios angeklagt - allen voran der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, der gemeinsam mit dem ebenfalls angeklagten Carsten S. die „Ceska 83“ besorgt haben soll, mit der Mundlos und Böhnhardt neun Menschen ermordeten.

Ein Jahr lang haben rund zehn Staatsanwälte und bis zu 400 Kriminalbeamte ermittelt, sie hörten 1200 mögliche Zeugen und untersuchten 6800 Beweisgegenstände. Die Ermittlungsakten umfassen etwa 1000 Ordner. Range sprach von „Ermittlungen, die uns an die Grenze der Belastbarkeit geführt haben“.

Und es ist ein Berg von Vorwürfen, gegen den sich Zschäpe und ihre drei Anwälte vor dem Oberlandesgericht München verteidigen müssen: Neun Morde an Geschäftsleuten türkischer und griechischer Herkunft; der Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn, bei dem die Beamtin Michèle Kiesewetter getötet wurde; zwei Sprengstoffanschläge in Köln, bei denen 2001 und 2004 insgesamt mehr als 20 Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden. Dazu kommen 15 bewaffnete Raubüberfälle.

Schließlich kommt auch die Tat zu Anklage, bei der Zschäpe selbst Hand anlegte: Nachdem sich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am 4. November 2011 erschossen hatten, zündete sie die gemeinsame Wohnung in Zwickau an. Auch hier geht die Bundesanwaltschaft bis zum Maximum, neben der Brandstiftung wird auch Mordversuch angeklagt: Im Gebäudeteil nebenan hielt sich eine Nachbarin auf, außerdem wären normalerweise Handwerker im Haus gewesen - ihren Tod habe Zschäpe „billigend in Kauf genommen“.

Ob sich der Vorwurf der Mittäterschaft in allen Fällen auch vor Gericht bestätigen wird, ist eine der spannenden Fragen des Verfahrens, das voraussichtlich im kommenden Frühjahr vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München beginnt.

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