Analyse: Facebook fordert Google heraus

Menlo Park/Berlin (dpa) - Das Versprechen von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg klingt verlockend: Der neue Facebook-Service „Graph Search“ „kann eine präzise Anfrage konkret beantworten, und nicht nur Links auf andere Inhalte im Web anzeigen“.

Facebook greift dabei auf seinen riesigen Datenpool zurück, den die inzwischen mehr als eine Milliarde Mitglieder dort anlegt haben, darunter 240 Milliarden Fotos und über eine Billion Verknüpfungen.

Die Datenbasis von Facebook-Konkurrent Google ist noch größer. Über 30 Billionen Webseiten stehen im Index des Suchmaschinen-Giganten, der Monat für Monat 100 Milliarden Suchanfragen beantwortet. Doch Google weiß nicht, wer bei Facebook mit wem befreundet ist, welches Restaurant ein Facebook-Anwender mit einem Klick auf den „Like-Button“ gelobt hat, welchen Wohnort, Arbeitgeber oder Lieblingssänger ein Facebook-Nutzer in seinem Profil eingetragen hat, oder welche Freunde der eigenen Freunde gerade Single sind. Auf diesem Datenschatz des Online-Beziehungsgeflechtes sitzt allein Mark Zuckerberg.

So kann Google die Frage „Welche Sushi-Restaurants in Berlin finden meine Freunde gut“ im Gegensatz zu Facebook nicht beantworten, auch weil das eigene Soziale Netzwerk Google+ im Vergleich zu Facebook noch sehr klein ist. „Es geht darum, Informationen aus vertrauenswürdigen Quellen zu erhalten, um bessere Entscheidungen treffen zu können“, twitterte Gartner-Analyst Michael Gartenberg.

Man braucht nur wenig Fantasie, um sich vorzustellen, wie Facebook die Suchzugriffe auf den exklusiven Datenschatz mit Werbe-Einblendungen vermarkten kann. „Daraus könnte sich über die Zeit hinweg ein Geschäft entwickeln“, räumte Zuckerberg bei der Vorstellung im kalifornischen Menlo Park ein. „Doch jetzt konzentrieren wir uns ganz darauf, die Benutzbarkeit dieser Funktion weiterzuentwickeln.“ Man könnte auch sagen: Erst sollen die Leute in die Kirche kommen, der Klingelbeutel geht später rum. Allein in den USA bringt der Werbemarkt rund um Suchanfragen nach Berechnungen des Marktforschungsinstituts IDC 15 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr ein.

Doch die Suche hat eine entscheidende Schwachstelle: Facebook kann nur die Informationen auffinden, die Mitglieder mit dem Netzwerk geteilt haben. „Ohne diese Verbindungen gibt es nichts zu durchsuchen“, urteilt Blogger Danny Sullivan, der über Suchmaschinen schreibt. So animiert Facebook Geschäfte und Restaurants, eigene Facebook-Seiten aufzubauen und ihre Kunden einzuladen, diese Seiten mit „Gefällt mir“-Klicks und Empfehlungen zu versehen. Denn wirklich wertvoll sind die Suchergebnisse nur, wenn Menschen ihre Vorlieben fleißig mit Facebook teilen - und der eigene Facebook-Freundeskreis tatsächlich aus Menschen besteht, deren Urteil man schätzt. Wer in der Vergangenheit ohne groß nachzudenken alle möglichen Freundschaftsanfragen bei Facebook bestätigt hat, müsste dazu seine Freundesliste erst einmal entrümpeln.

Manche Suchergebnisse könnten den Nutzern auch unangenehm sein. Eines der von Facebook genannten Beispiele war die Suche nach „männlichen Freunden von Freunden, die Single sind und in San Francisco leben“. Doch Facebook hat auch aus früheren Fehlern gelernt: Gleich mehrfach betonte Zuckerberg, dass die „Graph Search“ die bestehenden Privatsphäreneinstellungen der Nutzer berücksichtige. Auf einer eigenen Übersichtsseite erklärt Facebook, wie Nutzer die Sichtbarkeit ihrer Informationen einschränken können. Ein weiteres PR-Debakel will man sich offenbar nicht leisten.

Datenschützer sind dennoch skeptisch. „Die Suchfunktion, die wir vom Internet kennen, wird jetzt in den Freundeskreis hineingezogen, mit der Folge, dass hochsensible Informationen auch Dritten zur Kenntnis gelangen“, sagte der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert. Der Chef des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Kiel ist aber ohnehin nicht als Freund des größten Sozialen Netzwerks bekannt. So lautet auch diesmal sein Rat: „Hände weg von Facebook.“

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