Analyse: Fahndungspanne half mutmaßlichem Komplizen

Hannover (dpa) - Panne bei der Fahndung gegen Neonazi-Terror in Niedersachsen: Der mutmaßliche Helfer der Zwickauer Zelle wurde 1999 zwar observiert, dann aber unbehelligt gelassen. Ein Behördenwirrwarr verhinderte die Ermittlungen - und vielleicht auch einen früheren Erfolg.

Trotz aller Datentechnik wusste in Hannover bei der Überwachung eines mutmaßlichen rechten Terror-Helfers die Linke nicht, was die Rechte tut. Das haben Innenminister Uwe Schünemann (CDU) und Verfassungsschutzpräsident Hans Wargel am Mittwoch eingeräumt. Statt abgehörter Telefone und verdeckter Ermittlungen gab es Bürokratie pur - bis hin zum pünktlichen Löschen der Akte.

Die Anfrage kam im Herbst 1999 vom Verfassungsschutz aus Erfurt und war brisant: Es gehe um Rechtsterrorismus, erklärten die Thüringer und baten ihre Kollegen in Hannover um eine Observation. Der nach Niedersachsen gezogene Holger G. sei als möglicher Freund und Unterstützer des untergetauchten rechten Terror-Trios aus Jena ausgemacht worden, bei dem Fahnder zuvor eine Bombenwerkstatt ausgehoben hatten. Holger G. wolle den Dreien ein Quartier im Ausland vermitteln, lautete der Verdacht. Auftragsgemäß behielten die Niedersachsen Holger G. im Blick und erstatteten den Thüringern Bericht - die Informationen legten sie bei sich anschließend aber tatenlos zu den Akten. Drei Jahre später wurden sie gelöscht.

Dabei war Holger G. auch für den Verfassungsschutz in Niedersachsen bereits damals kein Unbekannter: Als Mitläufer der rechten Szene war er 1999 bei der Hochzeitsfeier einer Neonazi-Größe gesichtet und in der Datei des Verfassungsschutzes erfasst worden. Die Anfrage aus Thüringen ließ trotzdem keine Alarmlampe leuchten - weder auf den Bildschirmen noch in den Köpfen der Verfassungsschützer. Wie Amtspräsident Wargel erklärte, seien es schlicht unterschiedliche Kollegen gewesen, die sich um die Observation und um die Sammlung personenbezogener Daten gekümmert hätten. Die neue Einstufung von Holger G. als mutmaßlichem Terrorhelfer wanderte nicht von einem Schreibtisch zum anderen und auch nicht zur Polizei.

Hätten wir all die Jahre wirklich gewusst, was wir bereits 1999 erfahren hatten - dann hätten wir anders handeln können und müssen, fasste Innenminister Schünemann am Mittwoch zusammen. Anders - das hätte etwa eine Telefonüberwachung und ein Einschalten des Staatsschutzes sein können, präzisierte der Minister. Ob das Terror-Trio dann früh enttarnt und die Mordserie hätte verhindert werden können, ist aber unklar.

Funkstille beim Thema Holger G. herrschte nach der Observationsanfrage offenbar auch zwischen Thüringen und Niedersachsen. Während der Verdächtige in Erfurt noch länger in Terrorzusammenhang in den Akten geführt wurde, löschten die Niedersachsen sein Dossier, nachdem er nach 2004 nicht mehr bei rechten Demos oder Skinhead-Konzerten gesehen wurde. Fehlanzeige in Sachen „Big Brother“ also - denn im Verborgenen konnte Holger B. weiter dem Terror-Trio zuarbeiten, so zumindest lautet der Verdacht.

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