Analyse: Favoritendämmerung oder Ausrutscher?

Washington (dpa) - Es war die verrückteste Woche im bisherigen US-Vorwahlkampf - und für Mitt Romney hätte sie nicht schlimmer enden können.

Noch am Dienstag konnte der Ex-Gouverneur von Massachusetts sorglos mit einer schnellen Entscheidung bei der republikanischen Kandidatensuche zu seinen Gunsten rechnen. Die Staaten Iowa und New Hampshire hatte er gewonnen, in South Carolina sahen Umfragen einen Vorsprung von mindestens 10 Prozentpunkten für den 64-Jährigen.

Was könnte da überhaupt noch schieflaufen? So ziemlich alles, wie sich bei der Primary am Samstag zeigte: Überdeutlich musste sich der klare Favorit gegen den Außenseiter Newt Gingrich geschlagen geben.

Romney dürfte sich nun fühlen wie nach einem Verkehrsunfall - eben noch fuhr er entspannt dem Weißen Haus entgegen, dann kam unversehens der große Knall. Erst sprachen ihm die Republikaner am Donnerstag nach einer Neuauszählung den gefeierten Sieg in Iowa ab, dann ging ihm auch noch im Zieleinlauf der sicher geglaubte Südstaat flöten. Ein schlechtes Omen? Seit 1980 sicherte sich jeder republikanische Sieger in South Carolina die Nominierung der Partei. Doch er verlor.

Jetzt muss der Geschäftsmann sogar um Florida zittern, wo er bei der Vorwahl am 31. Januar eigentlich seinen Status als Spitzenreiter zementieren wollte. Stattdessen droht ihm nun ein zäher Zweikampf mit dem ehrgeizigen und taktisch geschickten Ex-Parlamentschef Gingrich.

Was letztlich den Ausschlag für die rasante Kehrtwende der Wähler in South Carolina gab, lässt sich schwer festmachen. Tendierten die vielen evangelikalen Wähler eher zu einem Konservativen wie Gingrich und weniger zu einem Mormonen wie Romney? Welche Rolle spielten die harten Attacken seiner Widersacher, die in der vergangenen Woche ihren Höhepunkt fanden?

Bedrängt, seine finanziellen Verhältnisse offenzulegen, musste der Multimillionär etwa widerwillig preisgeben, nur um die 15 Prozent Steuern zu zahlen - so viel wie Geringverdiener. Im selben Atemzug nannte er Rednerhonorare über 370 000 Dollar (rund 290 000 Euro), die er 2010 eingesammelt hatte, „nicht sehr viel“. Ein gefundenes Fressen für Gegner und Journalisten. Denn schon dieser Verdienst genügt, um ihn zum reichsten Prozent der US-Bevölkerung zählen zu lassen.

Die US-Gesellschaft ist nicht bekannt für Sozialneid, aber die Debatte, ob die vielen Millionäre des hoch verschuldeten Landes nicht stärker zur Kasse gebeten werden sollten, dürfte den Kampf ums Weiße Haus vor der Wahl am 6. November maßgeblich prägen.

Dafür will schon der Amtsinhaber Barack Obama sorgen: In seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation am kommenden Dienstag wird er die wirtschaftliche Chancengleichheit in den USA propagieren, wie ein am Samstag veröffentlichtes Video zeigt. Er wolle „eine Ökonomie, die für jeden funktioniert, nicht nur für die wenigen Reichen“, sagt er. Dazu gehört auch der von den Demokraten erwartete Herausforderer Romney.

Tatsächlich gilt der ehemalige Unternehmensberater für Experten auch nach seiner Niederlage in South Carolina noch immer als Favorit im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur. „Gingrich lebt von der Hand in den Mund, während Romney in anderen Staaten schon gesät hat, was er später ernten kann“, schreibt das „National Journal“.

Niemand könne mit der Wahlkampfmaschinerie mithalten, der es an Geld und Personal nicht mangele. Seit einem Monat schon laufen in Florida Romneys Werbespots im Fernsehen rauf und runter, von den anderen Kandidaten ist dort fast nichts zu sehen. Ähnlich ist es in Maine und Nevada, wo am 4. Februar die Abstimmungen anstehen.

Allerdings zeigt der Wahlausgang in South Carolina, wie schnell sich die Laune der republikanischen Wähler ändern kann. „Das Rennen wurde bisher von einer beispiellosen Unbeständigkeit geprägte“, meint Frank Newport vom Meinungsforschungsinstitut Gallup. Es könne daher noch richtig spannend werden.

Romney passt seine Kommunikation jedenfalls schon für eine längere Schlacht um die Kandidatur an, als ihm lieb gewesen wäre. „Ich werde weiterkämpfen. Ich werde in jedem einzelnen Staat antreten“, sagte er am Wahlabend. Solche Worte aus seinem Mund hätte vor einer Woche noch entspannter geklungen.

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