Analyse: Im US-Haushaltsstreit gibt es nur Verlierer

Washington (dpa) - Nun ist es also passiert. Die USA stürzen von der Fiskalklippe. Vermutlich wird es eine sanfte Landung, denn noch bleiben dem Kongress einige Tage Luft, einen Kompromiss im Haushaltsstreit zu beschließen und damit sonst drohende schwere Folgen für die Wirtschaft abzuwenden.

Die meisten Insider rechnen weiter damit, dass dies gelingt. Aber das ändert nichts daran, dass der politischen Schaden bereits entstanden ist. Nicht nur, dass der US-Kongress dabei versagt hat, noch rechtzeitig vor Jahresende eine Übereinkunft zu treffen. Hinzu kommt, dass sich das, was sich als Kompromiss abzeichnet, nur eine notdürftig zusammengeschusterte Zwischenlösung ist. Neuer Konfliktstoff lauert bereits.

Dabei ist es gerade mal 18 Monate her, dass der Kongress mit seinem parteipolitischen Hickhack die USA an den Rand der Zahlungsunfähigkeit brachte. Buchstäblich um Fünf vor Zwölf kam damals ein Deal zustande, der die Katastrophe abwendete, aber die Lösung des Kernproblems, den Abbau des Schuldenbergs, vertagte. Mehr als 500 Tage Zeit blieben Republikanern und Demokraten seitdem, ein Programm auf die Beine zu stellen - jenseits aller Unterschiede in den Parteiideologien, jenseits der ausgeprägten Antipathien, die viele Republikaner offensichtlich gegen Präsident Barack Obama hegen.

Und nun zeichnet sich wieder ab, dass die USA am Ende nur haarscharf an einem möglichen wirtschaftlichen Desaster vorbeischrammen - und auch diesmal anscheinend nur, indem Entscheidungen über ein großes Sparprogramm erstmal vertagt werden. „Es ist absolut unentschuldbar, dass wir alle uns zu diesem Zeitpunkt in dieser Position befinden“, schlug sich zumindest der demokratische Senator Joe Manchin an die eigene Brust. Ali Velshi, Wirtschaftsexperte beim Sender CNN, formulierte es schärfer. Verletzung der Berufspflicht warf er dem Kongress vor, den die US-Bevölkerung in Umfragen schon vor diesem jüngsten Haushaltsstreit zum unfähigsten aller Zeiten gekürt hatte. Ein Zuschauer twitterte: „Wenn ich mir so etwas am eigenen Arbeitsplatz erlauben würde wie die Politiker in Washington, würde ich gefeuert.“

Wem wohl die Hauptschuld an der Misere gegeben wird, hat sich schon in den vergangenen Tagen herauskristallisiert. Ihr langes Beharren auf eine Verschonung der Reichen bei der Sanierung der Staatsfinanzen ist laut Umfragen den meisten Bürgern übel aufgestoßen. Und Obama kann mit Fug und Recht darauf verweisen, dass seine Forderung nach einem größeren Steuer-Obolus der Höchstverdiener einen Kernpunkt in seinem Wahlkampf war - und dieses Ziel mit seiner Wiederwahl praktisch sanktioniert wurde.

Aber das macht die Entwicklung in den vergangenen Wochen nur noch bedenklicher - weil sie ein Schlaglicht auf das wirft, was Obama in seiner zweiten Amtszeit blüht. Die Schlappe, die sie bei der Präsidentenwahl eingesteckt haben, hat die Konservativen nicht kompromissbereiter gemacht, wie viele es erwartet haben.

„Tatsache ist, dass Republikaner - die wenigstens für eine Hälfte der zweiten Amtsperiode des Präsidenten zumindest eine Kongresskammer beherrschen - jetzt und vielleicht niemals genügend politischen Nutzen darin sehen, gegenüber den Demokraten jene Konzessionen zu machen, auf denen diese bestehen“, hieß es in einer Analyse des Senders ABC. Wenn eine Wahl das nicht habe ändern können, „dann ist herzlich wenig übrig, das dies noch bewirken könnte.“ Das System in Washington sei so zerrüttet, dass nicht einmal eine „kühne Führungskraft“ es reparieren könne.

Das verheißt nicht nur wenig Gutes für die bald im neuen Jahr anstehenden Verhandlungen über eine neue Erhöhung der Schuldenobergrenze. Obama will auch eine umfassende Reform der Einwanderungsgesetze durchsetzen und Investitionen in die marode Infrastruktur. Die Republikaner mit ihrer nach wie vor lautstarken Tea-Party-Fraktion werden es ihm nicht leicht machen.

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