Analyse: Krisengipfel wartet auf „Super-Mario“

Brüssel (dpa) - Der Mann im gut geschnittenen schwarzen Anzug kommt manchmal noch unerkannt in große Konferenzzentren. Von Donnerstag an wird Mario Draghi, der neue Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), im fensterlosen Sitzungssaal des EU-Ministerrates sitzen.

Die Staats- und Regierungschefs werden in Brüssel zum wiederholten Male über die Euro-Krise beraten. Die Nervosität steigt, denn viele Pfeile haben sie nach den Fehlschlägen der vergangenen Krisentreffen nicht mehr im Köcher. Es wird - auch dieser Ausdruck ist nicht neu - um ein umfassendes Paket gehen, um die Öffentlichkeit und die Märkte zu beruhigen.

Der Italiener Draghi hat dabei laut Experten die Euro-Rettung in der Hand. Denn nur die EZB kann kurzfristig mit Käufen die Lage auf den Anleihenmärkten entschärfen.

Draghi schlug den Staatenlenkern in der vergangenen Woche einen Deal vor, den sie jetzt annehmen müssen. Er forderte von den Euroländern einen neuen Haushaltspakt, um die Eurowährung glaubwürdiger zu machen. „Andere Elemente könnten folgen, aber die Reihenfolge ist entscheidend“, meinte er dann.

Diplomaten deuten diese Bemerkung so, dass Draghi bei einem neuen Fiskalpakt der Staaten durchaus bereit sei, die Krise einzudämmen. Schon der koordinierte Feuerwehreinsatz der vergangenen Woche von EZB und anderen Notenbanken zur Versorgung von Geldhäusern mit ausreichender Liquidität sei ein sehr deutliches Signal für Handlungsbereitschaft gewesen.

„Draghi will ein Signal“, meint ein EU-Diplomat - es werde aber nicht laut darüber gesprochen. Der Präsident des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts (HWWI), Thomas Straubhaar, schreibt in der Zeitung „Weser-Kurier“ (Donnerstag): „Mit einem direkten oder indirekten Einsatz der EZB fände die Euro-Krise sofort ihr Ende.“

So einfach das Tauschgeschäft von Euro-Staaten und EZB auf den ersten Blick aussieht, so kompliziert ist es im Detail. Denn zum Ziel einer neuen Stabilitätsunion mit rechtsverbindlichen Regeln und automatischen Strafen für Defizitsündern führen viele Wege. Die Lage auf den Märkten wird zudem nicht einfacher: Die US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) droht inzwischen fast der gesamten Eurozone mit Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy wollen die EU-Verträge ändern, um die neuen Regeln festzuschreiben. Das ist ein zeitaufwendiges Verfahren, denn die Änderungen müssen in allen 27 Mitgliedstaaten gebilligt werden.

Viele EU-Partner sind zu einem Zugeständnis bereit - notgedrungen. Ein Diplomat bilanziert: „Merkel will die Vertragsänderungen, um dem Rest zustimmen zu können. Wenn das der zahlende Preis ist - so soll es dann sein.“

Schon beim Abendessen am Donnerstag dürfte es sich zeigen, ob der britische Premier David Cameron dieser großen Lösung zustimmt - oder ob die 17 Eurostaaten unter sich einen neuen Stabilitätsvertrag schließen müssen. Ein hoher EU-Verantwortlicher appelliert an den Herrn von Downing Street Nummer Zehn, einen Kompromiss zu 27 nicht zu blockieren. „Wir brauchen alle an Bord, der Euro ist die europäische Währung.“

Eine von EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy vorgeschlagene Variante, nur das Protokoll 12 des EU-Vertrags zu ändern - dies würde keine Ratifizierung in den Staaten erfordern - wird von Berlin als eine „typische Brüsseler Trickkiste“ verworfen.

Der Ton in der Krise wird rauher. „Merkozy“, wie das Duo Merkel/Sarkozy gerne genannt wird, ist zudem dabei, dem diskreten Gipfelchef Belgier Van Rompuy das Heft aus der Hand zu nehmen. In Berlin wird schon einmal vorsorglich angekündigt, vor, während oder nach der Brüsseler Spitzenveranstaltung sei wohl ein Euro-Gipfel nötig. In der Einladung Van Rompuys ist davon keine Rede. Diplomaten stellen sich schon auf lange Tage und Nächte ein.

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