Analyse: Lagardes Mission Eurorettung

Washington (dpa) - Noch vor wenigen Jahren stand der Internationale Währungsfonds (IWF) fast vor der Bedeutungslosigkeit. Erst die globale Finanzkrise verschaffte der Behörde in Washington wieder eine Hauptrolle auf der Weltbühne.

Seitdem scheint es, als gewinne die Institution immer mehr Macht. Spätestens seit dem G20-Gipfel in Cannes, wo der IWF die Aufsicht über Italiens Sparprogramm erhielt, ist der finanzpolitische Einfluss in Europa immens.

Die Chefin des Fonds, Christine Lagarde, reist in diesen Tagen voller Selbstbewusstsein in aufstrebende Staaten wie Russland und China, um weitere Milliarden für die ohnehin prall gefüllte IWF-Kasse sowie den Euro-Krisenfonds EFSF aufzutreiben. Auch Schwergewichte wie Japan bittet sie dabei offenbar erfolgreich um Hilfe. Keines der Länder lehnt ab, neues Geld im IWF oder wenigstens in europäische Staatsanleihen anzulegen. Doch alle stellen klare Bedingungen - und denken vor allem an sich selbst.

In Moskau etwa sprach Lagarde mit Kremlchef Dmitri Medwedew über die Möglichkeit, dass Russland Einnahmen aus dem Ölexport in den Rettungsfonds stecken könnte. Zwar lehnt Regierungschef Wladimir Putin eine direkte Stützung des EFSF ab. Eine Hilfe über den IWF sei aber möglich. Von zehn Milliarden Dollar war in der russischen Regierung schon die Rede. Als Gegenleistung fordert sie ein größeres Gewicht der Schwellenländer bei Entscheidungen der globalen Krisenfeuerwehr.

China ist dagegen grundsätzlich bereit, auch weiter europäische Staatsanleihen zu kaufen und damit den Euro zu stabilisieren. Auch aus Eigeninteresse: Die EU ist Chinas größter Exportmarkt, eine Rezession in Europa würde der chinesischen Wirtschaft schaden. Offen ist aber, in welchem Rahmen und Ausmaß die Hilfe kommt. Der Berater der Pekinger Zentralbank, Li Daokui, sprach in einem Interview von einer denkbaren Summe von 100 Milliarden Dollar. Das deckt sich allerdings nicht mit den Positionen der Regierung, die bisher vorsichtig abwartet.

Wegen des ständigen Anstiegs seiner weltgrößten Devisenreserven infolge der Handelsüberschüsse mit Europa muss China ohnehin stetig seine erwirtschafteten Euro anlegen. Ob aber darüber hinaus zusätzlich investiert oder ob der IWF als Kanal für die „helfende Hand“ gewählt wird, ist offen. Nach den Beschlüssen zum Euro-Rettungsschirm sowie den „Chaos-Tagen“ in Griechenland und Italien demonstriert Peking zunächst Zurückhaltung. Erst müssten die technischen Details des Schirms geklärt sein, womit bis etwa Anfang Dezember gerechnet wird.

Für ihre Hilfe sucht allerdings auch die chinesische Führung politisches Entgegenkommen. Vor allem wünscht sie die Anerkennung als Marktwirtschaft. Das böte Schutz vor Anti-Dumping-Klagen und hat großen symbolischen Wert für die chinesische Führung. Und auch Peking verlangt eine weitere Stärkung der Schwellenländer im IWF.

Das ebenfalls exportabhängige Japan signalisiert auch seine Bereitschaft, weitere europäische Staatsanleihen aus dem Rettungsfonds zu kaufen, um den Euro zu stabilisieren. Tokio, das nach Peking über die weltweit größten Währungsreserven verfügt, hat bislang rund 20 Prozent der europäischen Rettungsbonds erworben.

Japanischen Medienberichten zufolge würde Finanzminister Jun Azumi es befürworten, wenn die Kapazitäten des IWF ausgeweitet werden, um ein Überschwappen der griechischen Schuldenkrise auf größere Eurostaaten zu verhindern. Er wurde kürzlich mit den Worten zitiert, der IWF müsse als Wall gegen die Krise fungieren. Das deckt sich mit den Zielen von Christine Lagarde. Am liebsten würde sie die Ressourcen ihrer Einrichtung auf zwei Billionen Dollar verdoppeln.

Brasilien stellt ebenfalls Bedingungen für eine finanzielle Unterstützung der bedrängten Euro-Staaten. Das aufstrebende südamerikanische Land sei nur bereit, den IWF für eine Rettungsaktion zu stärken, wenn die Europäer die Aufgaben erfüllten, erklärte Finanzminister Guido Mantega strikt. Die Aufstellung des EFSF, die Einbeziehung zusätzlicher Reserven der europäischen Zentralbank EZB und die Lösung des Griechenland-Problems gehören zu den von Mantega genannten Aufgaben. „Nichts von alledem ist bisher erfüllt worden, deshalb gibt es bisher auch kein konkretes Angebot“, sagte der Minister.

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