Analyse: Linke wartet vergeblich auf das Wagenknecht-Wunder

Berlin (dpa) - Bis zuletzt wollte die Linke den Umfragen nicht glauben, die sie vor der Niedersachsen-Wahl bei 3 Prozent sahen. Parteichef Bernd Riexinger witterte sogar Manipulation.

Am Sonntagabend um 18.00 Uhr wurden er und seine Parteifreunde eines Besseren belehrt. Als die ersten Prognosen mit 3,0 und 3,5 Prozent für die Linke verkündet wurden, ging ein leises Raunen durch das Berliner Karl-Liebknecht-Haus.

Die Niederlage ist auch oder sogar vor allem eine Niederlage der Bundespartei. Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn wertete das schlechte Ergebnis als Spätwirkung des erbitterten Machtkampfes um die Parteispitze vor sieben Monaten. „Das Vertrauen zurückzugewinnen dauert lange“, sagte er in einer ersten Analyse.

Die Linke hatte die Landtagswahl ganz bewusst zu einer bundespolitischen Angelegenheit gemacht, indem sie die stellvertretende Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht als Spitzenfrau für den Endspurt ins Rennen schickte. Die 43-jährige wurde vorzeitig zur Verhandlungsführerin für Koalitionsgespräche gekürt und als künftige Ministerin ins Gespräch gebracht. Die frühere Wortführerin der radikalen Kommunistische Plattform in der Linken ging volles Risiko - und steht jetzt als große Verliererin da.

Ein Dämpfer ist die Wahl auch für die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger. In den ersten sieben Monaten ihrer Amtszeit haben es die beiden zwar geschafft, die Partei in den bundesweiten Umfragen wieder auf die Erfolgsspur zu bringen. Ihre erste Nagelprobe bei einer Landtagswahl haben sie aber nicht bestanden.

Auch für das Projekt Rot-Rot-Grün im Bund, für das die beiden sich vehement einsetzen, ist die Niedersachsen-Wahl ein herber Rückschlag. Bei einem Wiedereinzug in den Landtag hätte die Linke zum Zünglein an der Waage werden können. Es wäre ein grandioser Auftakt für das Jahr der Bundestagswahl gewesen.

Jetzt müssen Kipping und Riexinger an diesem Montag das Spitzenteam für den Bundestags-Wahlkampf unter extrem schwierigen Bedingungen vorstellen. Dass die Niederlage die immer noch bestehenden Gräben in der Partei zwischen ostdeutschen Reformern und westdeutschen Fundamentalisten wieder offen aufbrechen lässt, gilt wenige Monate vor der Bundestagswahl dennoch als relativ unwahrscheinlich. Die Erinnerung an die schmerzhafte Selbstzerfleischung des vergangenen Jahres ist dazu wohl noch zu frisch.

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