Analyse: Obama gewinnt Duell - Romney schlägt sich wacker

Washington (dpa) - Die Demokraten atmen auf. Es war ein gänzlich anderer Barack Obama, der in der Nacht zum Mittwoch gegen seinen Gegner Mitt Romney antrat. Diesmal fackelte der Präsident nicht lange, ließ nichts anbrennen, dem Republikaner nichts durchgehen.

Gerade mal 45 Sekunden wartete er zum Debattenauftakt, bevor er zum ersten Schlag ausholte, klar machte, „dass er nicht nur zum Kampf bereit ist, sondern ihn sucht“, wie es etwa die „New York Times“ am Mittwoch formulierte. „Was Gouverneur Romney sagt, ist einfach nicht wahr“, fuhr der Präsident seinem Herausforderer gleich mehrfach in die Parade. „Das ist nicht wahr, Gouverneur Romney, nicht wahr.“

Auch sonst tat Obama alles, was sein Lager beim ersten TV-Duell so schmerzlich bei ihm vermisst hatte. Er charakterisierte ihn als „Flip-Flopper“, jemanden, der seine Positionen immer wieder verändert, der arm an Details und reich an Versprechungen sei. Und der es vor allem gut mit Leuten meint, die viel Geld haben, dagegen von der Mittelschicht nichts versteht.

Während Obama in der ersten Debatte zu passiv gewesen sei, „war er dieses Mal auf Action gepolt“, bescheinigte sogar das konservative „Wall Street Journal“ dem Präsidenten. „Es gab wenig Zweifel, dass der Präsident Dinge tat, die er in der ersten Debatte nicht getan hat, um zu zeigen, dass er den Preis am 6. November wirklich will.“

Dennoch: Ein „Game Changer“ - ein Ereignis, das das Spiel völlig auf den Kopf stellt - war diese zweite Debatte nicht. Romney geriet zwar deutlich häufiger in die Defensive als beim ersten Duell, aber schlug sich insgesamt doch tapfer. Er setzte dem Präsidenten vor allem erneut mit der hohen Arbeitslosigkeit, mit der schlechten Wirtschaftslage zu: „Ich weiß, wie es besser geht. Ich habe mein Leben in der Privatwirtschaft verbracht.“ Und: „Wir können uns einfach nicht vier weitere Jahre wie die vier vergangenen leisten.“

Es ist klar, Romney weiß genau, dass es vor allem die Wirtschaftspolitik ist, mit der er punkten kann. Kein Zweifel, Obamas Bilanz nach vier Jahren ist nicht gerade rosig: Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Wirtschaft brummt nicht, viele Amerikaner haben Zukunftsangst - das alles sind Steilvorlagen für Romney. „Der Präsident hat es versucht, aber seine Politik hat nicht funktioniert“, geradezu genüsslich trägt er das immer wieder vor. Logisch, dass da manche Antwort Obamas etwas dünn ausfällt. „Wir mussten durch harte Jahre gehen, daran gibt es keinen Zweifel“, räumt denn der Präsident ein.

Es sei eine der intensivsten TV-Duelle der US-Wahlkampfgeschichte gewesen, kommentierte die „New York Times“. Das „Wall Street Journal“ spricht sogar von der lebhaftesten Debatte, „wenn auch nicht von der schmückendsten“. Es sei keine sehr „präsidentenmäßige“ Debatte gewesen, befindet auch CNN. „Aber es war sehr unterhaltsam.“

Beide Kandidaten fallen sich immer wieder ins Wort. Sie reden gleichzeitig. Sie hadern mit Moderatorin Candy Crowley von CNN, die manchmal ihre liebe Not hat, die Kontrahenten in Schach zu halten, aber ihre Aufgabe mit Bravour meistert. Manchmal rücken sich der Demokrat und der Republikaner eng auf die Pelle, einmal stehen sie fast Brust an Brust - als ob sie Kampfhähne wären, beschreibt es eine Zeitung.

Vor allem Obama scheint auch in Sachen Körpersprache wie ausgewechselt, hat auch hier wohl aus der ersten Debatten-Schlappe gelernt. Diesmal schlägt er nicht die Augen nieder, schaut nicht auf seine Schuhspitzen - diesmal blickte er meist direkt ins Publikum und seinem Gegner ins Gesicht.

Doch die entscheidende Frage ist: Wie reagieren die Wähler auf dieses zweite Duell? Romney konnte nach der ersten Debatte zwar punkten, doch die Umfragen sagen im Kern noch immer ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Mehr noch: Es gibt Experten die meinen, überhaupt sei es in der Geschichte der US-Wahlkampfe nur extrem selten vorgekommen, dass die Debatten entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis hatten.

„Das Rennen wird wahrscheinlich bitter bleiben, bis zum bitteren Ende“, urteilt denn auch die „Washington Post“. Es würden am Ende die noch unentschiedenen Wähler sein, die das entscheidende Urteil abgäben, pflichtet das „Wall Street Journal“ bei. Beim Spiel am Dienstag, so die „New York Times“, habe Obama gepunktet. „Aber bis zum Schlusspfiff sind es noch 20 Tage.“

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