Analyse: Schock in Israel, Jubel in Gaza

Tel Aviv/Gaza (dpa) - Nach den Raketen aus dem Gazastreifen werden die Menschen in Tel Aviv nun auch noch von heimtückischen Bomben getroffen. Der Krieg gegen militante Palästinenser im Gazastreifen erreicht die Party-Metropole.

Am Abend sorgen Nachrichten aus Kairo für neue Hoffnung.

Weißer Rauch quillt aus dem Stadtbus der Linie 142. Die Scheiben sind teilweise zersplittert, die hinteren Türen beschädigt, Plastikverkleidungen baumeln von der Decke. Fast ein Wunder, dass alle Menschen an Bord an diesem sonnigen Herbsttag mit dem Leben davonkamen. Zwei wurden schwer verletzt, 19 weitere mussten ebenfalls in Krankenhäuser, aber mit leichteren Verletzungen. Viele weinten und zitterten am ganzen Körper.

Der Schock über den ersten größeren Anschlag in der lebenslustigen Metropole am Mittelmeer seit mehr als sechs Jahren steht auch vielen Passanten ins Gesicht geschrieben. Nach den Raketenangriffen aus dem Gazastreifen jetzt auch noch Bombenanschläge. Die Stadt hallt wieder vom Geheul der Krankenwagen und Polizeiautos. Nervöse Polizisten schreien Autofahrer an Straßensperren an. In der Luft das Wummern von Hubschraubern - Beklemmung erfasst viele Menschen.

Die Reaktion im Gazastreifen könnte gegensätzlicher nicht sein. In dem seit Jahren abgeschnürten Gebiet, das den achten Tag in Folge von der israelischen Luftwaffe bombardiert wurde, brach Jubel aus. Bewaffnete feuerten Freudenschüsse in die Luft, Sprecher im Hamas-Fernsehen verkündeten die Nachricht vom Anschlag mit einem genüsslichen Lächeln im Gesicht.

Die dort herrschende radikal-islamische Hamas pries den Anschlag, zu dem sich zunächst niemand bekannte. „Wir gratulieren unserem Volk zu dieser heldenhaften Tat“, hieß es in einer Mitteilung, die über die scheppernden Lautsprecher von Moscheen im Gazastreifen verlesen wurde. Im Fernsehen war zu sehen, wie Menschen auf der Straße zur Feier des Tages Süßigkeiten an Passanten verteilten. Die seit acht Tagen andauernden israelischen Luftangriffe mit bisher etwa 140 Toten und mehr als 1000 Verletzten haben ihre Spuren hinterlassen.

Der Polizeichef von Tel Aviv sprach hingegen mit ernster Miene von einem „Terroranschlag“ und warnte vor weiterem Unheil. „Über die Bedrohung der Raketen hinaus sehen wir jetzt vermehrt Versuche, Anschläge zu verüben“, sagte er im Fernsehen. „Die terroristischen Organisationen werden alles versuchen, um weitere Anschläge zu verüben.“ Zugleich rief er die Bevölkerung zur Wachsamkeit auf.

Das ist bei vielen Israelis, die schon mehrere Wellen palästinensischer Selbstmordanschläge miterlebt haben, allerdings kaum noch nötig. „Ich fahre jetzt erstmal wieder Taxi“, meinte eine Angestellte resolut.

Stunden später kommt dann aus Kairo die erlösende Botschaft: Waffenruhe. Dieses Mal scheint auch die israelische Führung mitzumachen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ließ am Abend mitteilen, dass er der Friedensmaßnahmen eine Chance geben wolle.

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