Biden wirbt in Kiew für Einheit des Krisenstaates

Kiew (dpa) - Für US-Vizepräsident Joe Biden ist das Ziel seines Besuchs in Kiew eindeutig: „Ukraine united“ (Vereinigte Ukraine) schreibt der Spitzenpolitiker seinem Hotel ins Gästebuch.

Aber eine Einheit der Ex-Sowjetrepublik scheint derzeit weit weg - angesichts der Bilder martialisch gekleideter Uniformierter, die über staatlichen Gebäuden in der Ostukraine russische Flaggen hissen.

Einige Fragen und Antworten zur aktuellen Lage:

Was kann der Biden-Besuch im Ukraine-Konflikt bewegen?

Vor allem setzt die US-Führung ein demonstratives Zeichen. „Wir stehen an Eurer Seite“, betont Vizepräsident Joe Biden in Kiew. Emotional und schmeichelnd ruft er die Ukrainer zur Einheit auf: „Sie sind ein ganz, ganz, ganz starkes Volk!“ Nicht einmal eine Woche ist es her, dass die USA, Russland, die EU und die Ukraine sich in Genf auf Lösungsansätze in dem Konflikt geeinigt haben. Doch droht das Vorhaben zu scheitern. Die USA setzen Russland unter Druck und drohen mit noch stärkeren Sanktionen. Moskau wiederum sieht Kiew am Zuge.

Welche finanzielle Unterstützung geben die USA der Ukraine?

Die USA investieren nach eigener Darstellung in die demokratische Entwicklung des zweitgrößten Flächenstaats Europas. Konkret kündigt das Weiße Haus 50 Millionen US-Dollar (36,2 Millionen Euro) für „wirtschaftliche und politische Reformen“ an. Das dient auch der Finanzierung der Präsidentenwahlen am 25. Mai - laut US-Vizepräsident Joe Biden die wichtigste Abstimmung in der Geschichte des Landes. Hinzu kommen 8 Millionen Dollar für das miserabel ausgerüstete Militär. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, so betont US-Topdiplomatin Victoria Nuland, haben die USA die Ukraine mit rund fünf Milliarden Dollar unterstützt.

Was ist darüber hinaus noch im Gespräch?

Möglich sind weitere Kreditgarantien für die fast bankrotte Ukraine. Die Ex-Sowjetrepublik hätte damit die Möglichkeit, Staatsanleihen zu niedrigeren Zinssätzen zu platzieren. Um die Abhängigkeit Kiews von teuren russischen Gasimporten zu senken, wären Hilfen bei einem seit langem geplanten Flüssiggasterminal im Schwarzmeerhafen Odessa denkbar. Lieferungen könnten dann auch aus den USA kommen.

Wann fließen die angekündigten Milliardenhilfen des IWF?

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat bislang noch keine Entscheidung zur Gewährung eines Kredites an die Ukraine getroffen. Über die in Aussicht gestellten 14 bis 18 Milliarden US-Dollar soll bis spätestens Anfang Mai Klarheit herrschen.

Wie erfolgreich verläuft der „Anti-Terror-Einsatz“ gegen prorussische Separatisten in der Ostukraine?

Die von Interimspräsident Alexander Turtschinow befohlene Operation erinnert bisher eher an eine Ansammlung von Pleiten und Pannen. Einheiten der ukrainischen Armee mussten sich wegen des friedlichen Widerstands der Zivilbevölkerung zurückziehen. Die Rede ist von Überläufern. Die Separatisten konnten ihre Position eher festigen. Die Stadt Slawjansk, ein zentraler Ort des Einsatzes, scheint völlig in der Hand der Aktivisten zu sein. Auch ein „Osterfrieden“ stoppte die Gewalt nicht - es gab Scharmützel mit Toten und Verletzten.

Wer sind die prorussischen Uniformierten, die öffentliche Gebäude besetzen im Osten der Ukraine und teils bewaffnet sind?

Die ukrainische Führung und auch die USA sagen, es handele sich um von Moskau gesteuerte Geheimdienstagenten und Militärangehörige. Kremlchef Wladimir Putin weist diese Vorwürfe zurück. Finanziert werden könnten die Kräfte auch von dem gestürzten und nach Russland geflüchteten Präsidenten Viktor Janukowitsch, dessen Familie und Geschäftsfreunden - oder von Oligarchen. Es gibt aber auch traditionell „großrussische“ Enthusiasten. Das sind ehemalige Mitarbeiter Moskauer Geheimdienste und anderer Sicherheitsstrukturen, die sich freiwillig zu Aktionen wie in der Ostukraine einfinden.

Wie könnten sie zum Rückzug aus den besetzten Gebäuden und zur Abgabe der Waffen bewegt werden?

Die ausländischen Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wollen die Aktivisten vor allem mit Verhandlungen zum Aufgeben bewegen. Sie selbst sind nicht bewaffnet und können nur durch Gespräche überzeugen. Im Gebiet Dnjepropetrowsk zahlt der reiche proukrainische Gouverneur angeblich Tausende Dollar Kopfgeld für gefasste „Separatisten“. An Waffen kamen die Aktivisten etwa durch die Besetzung von Polizei- und Geheimdienststellen.

Was wollen die von der Regierung in Kiew so bezeichneten Separatisten?

Die Ziele der prorussischen Aktivisten sind uneinheitlich. Hauptforderung ist ein Referendum - allerdings ist die Fragestellung unklar. Einigen geht es um eine weitreichende Autonomie, anderen um eine Abspaltung von der Ukraine oder gar einen Anschluss an Russland nach Vorbild der Schwarzmeerhalbinsel Krim.

Was will Russland?

Vor allem will Russland seinen Einfluss im Nachbarland wahren und einen Nato-Beitritt verhindern. Offiziell betont Moskau, es sorge sich um die Sicherheit russischer und russischstämmiger Bürger. Dazu fordert der Kreml eine Föderalisierung. Die russisch geprägten Grenzregionen sollten ihre Anführer selbst wählen und die eigene Sprache sprechen dürfen. Als Drohkulisse sind starke Streitkräfte an der Grenze stationiert. Die Regierung in Kiew wirft Moskau hingegen vor, die Lage in der Ukraine weiter destabilisieren zu wollen.

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