Das Phantom von Gaza: Militärchef der Hamas taucht wieder auf

Tel Aviv (dpa) - Mohammed Deif ist Israels meistgesuchter Mann - und ein Phantom. Kaum etwas ist über den Chef des militärischen Hamas-Flügels bekannt. Dabei haben seine Worte Gewicht: Deif verkörpert den Geist der Hamas.

Das Phantom von Gaza: Militärchef der Hamas taucht wieder auf
Foto: dpa

Die Stimme klingt scheppernd, die Aufnahme ist verrauscht. „Die Zionisten werden keine Sicherheit haben, bis das palästinensische Volk in Frieden lebt“, sagt der Mann auf dem Tonband. Einen Waffenstillstand werde es so lange nicht geben, „bis die Belagerung von Gaza aufgehoben ist und die Grenzen offen sind“.

Der Hamas-Sender Al-Aksa TV strahlte die Audio-Aufnahme am Dienstagabend aus. Meistens bleibt die Propaganda des Fernsehsenders in westlichen Medien unbeachtet - doch diese blecherne Rede fand oft Erwähnung. Denn der Sprecher ist Mohammed Deif, Israels meistgesuchter Terrorist.

Deif war jahrelang Anführer der Kassam-Brigaden, einer militärischen Untergrundorganisation, die als der bewaffnete Arm der Hamas gilt. Er soll für zahlreiche Anschläge verantwortlich sein: Laut israelischem Militär hat Deif Attentate nicht nur geplant, sondern war auch selbst am Bombenbau beteiligt. Die Armee hat ihm deshalb einen Spitznamen gegeben: „Der Ingenieur“.

Für seine Funktion war Deif in den höchsten terroristischen Kreisen ausgebildet worden. Jahja Ajasch, der in den 90er Jahren knapp ein Dutzend Bomben für Attacken auf Israel baute, hatte Deif das Handwerk beigebracht. Ajasch war Elektroingenieur und wie kein anderer mit der Materie vertraut. Er wurde 1996 vom israelischen Geheimdienst getötet. Kurz zuvor hatte sich sein Zögling Deif den Kassam-Brigaden angeschlossen.

Seitdem wird Deif von Israel gejagt. Als der Friedensprozess um die Jahrtausendwende für kurze Zeit in Gang kam, forderte Israel die Festnahme und Auslieferung des Terroristen. Die PLO willigte ein, nahm Deif fest und stellte ihn unter Hausarrest.

Doch ein knappes Jahr später, im April 2001, wurde Deif freigelassen. Ein Jahr später übernahm er die Leitung der Kassam-Brigaden, nachdem der damalige Kommandant Saleh Schahada bei einem Bombardement der israelischen Armee umgekommen war. Nun war Deif ihr neues Top-Ziel.

Viermal sollen das israelische Militär und der Geheimdienst versucht haben, Deif umzubringen. Im September 2002, nur wenige Monate nach seiner Kommandoübernahme, traf eine Rakete sein Auto. Obwohl das Fahrzeug ausbrannte, überlebte Deif. 2006 soll er bei einem Angriff so schwer verletzt worden sein, dass er gelähmt blieb. Über die Schwere seiner Verletzungen lässt sich aber nur mutmaßen. Denn trotz seiner Prominenz gibt bis heute kaum Informationen über Mohammed Deif.

Ein einziges Foto haben die israelischen Behörden von ihm veröffentlicht. Es zeigt einen jungen Mann mit schmalem Gesicht und Schnauzbart. Wann und wo Deif geboren ist, wie er aufwuchs und wie es ihm geht - darum ranken sich bis heute nur Gerüchte.

Israelische Sicherheitskreise vermuten, dass Deif seit 2012 wieder die Kassam-Brigaden befehligt. In diesem Jahr wurde Ahmed Dschabari, der damalige Kassam-Kommandant, bei einem Angriff getötet. Die Kassam-Brigaden feuerten aus Rache auf Israel, die Armee schoss zurück - und eine achttägige Offensive begann. Deif meldete sich damals ebenfalls mit einer Nachricht zu Wort und drohte damit, israelische Soldaten zu entführen.

Wahrscheinlicher ist allerdings, dass Deif nur noch als Aushängeschild der Hamas fungiert. „Ich vermute, dass er eher ein Symbol ist als ein aktiver Kommandeur“, sagte der Friedensaktivist Gerschon Baskin der Online-Zeitung „Times of Israel“. Baskin hatte 2011 beim Austausch des Soldaten Gilad Schalit zwischen der Hamas und Israel vermittelt. Deif sei der Geist, der Mythos der Hamas, sagt Baskin. Die Hamas-Kämpfer sehen zu ihm auf - ein Aufruf des „Ingenieurs“ könnte ihren Kampfgeist stärken.

Zu mehr als einer Audiobotschaft sei Deif aber körperlich nicht mehr fähig, meint Baskin. Die vielen Anschläge hätten einen Schatten aus ihm gemacht. „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass er noch ein voll funktionierendes menschliches Wesen ist.“

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