Den Springerstiefeln entwachsen: Neonazis im Osten

Leipzig (dpa) - Die Fotos, die von den mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kursieren, zeigen das Klischee von ostdeutschen Neonazis: Junge Männer mit kurz geschorenen Haaren in Bomberjacken und Springerstiefeln.

Aber die Bilder sind alt, aufgenommen in den 1990er Jahren.

Inzwischen, da sind sich Sicherheitsbehörden und Opferberatungsstellen einig, treten die Rechten im Osten längst nicht mehr so plakativ auf. Sie sind den Springerstiefeln entwachsen.

In zahlreichen Kommunalparlamenten sind NPD-Leute vertreten. Szene-Beobachter Danilo Starosta vom Kulturbüro Sachsen sagt: „Sie werden den Trainer finden, der für die NPD und die freien Kräfte arbeitet. Sie werden den Jugendfeuerwehrwart finden, der für die NPD und die freien Kräfte arbeitet.“ In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen sitzt die rechtsextreme NPD in den Landtagen. Ihre Spitzenfunktionäre, Holger Apfel und Udo Pastörs, stammen aus dem Westen. Ihre rechte politische Heimat - und die nötigen Wähler - fanden sie im Osten.

Eine Akzeptanz für rechte Ideen sei in Teilen der Bevölkerung gegeben, meint Pascal Begrich, Geschäftsführer des Magdeburger Vereins Miteinander - Netzwerk für Demokratie in Sachsen-Anhalt. „Eine große Minderheit teilt Einstellungen, wie sie in der rechtsextremistischen Szene vorkommen.“

Trotzdem, sagt der frühere Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye, sei Rechtsextremismus kein typisch ostdeutsches Phänomen. Heye ist der Vorsitzende der Initiative „Gesicht zeigen!“, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit einsetzt. NPD, Republikaner und DVU seien „Blüten aus dem braunen Sumpf des Westens“, sagt Heye. „Von daher gibt es keinerlei Grund, einseitig in Richtung Osten zu schauen.“ Hier wie dort gebe es wachsende Minderheiten, bei denen extremistische Ideen auf offene Ohren stoßen. „Es ist auch ein soziales Problem“, betont Heye.

Der Neonazi-Szene in Ostdeutschland werden aktuell rund 7660 Anhänger zugeordnet. Das geht aus den Verfassungsschutzberichten der fünf Länder ohne Berlin hervor. Wie viele der Rechtsradikalen auch gewaltbereit sind, darüber gibt es nur Schätzungen. Nach Angaben der Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist von weit mehr als 2000 Gewaltbereiten in den drei Ländern auszugehen. Es gebe eine „verfestigte militante rechtsextremistische Szene“, sagt David Begrich, der ebenfalls im Verein Miteinander arbeitet.

Beobachter sind sich sicher, dass die Übergänge zwischen dem scheinbar bürgerlichen Aushängeschild NPD und den radikalen „freien Kräften“ fließend sind. Danilo Starosta nennt als jüngsten Beleg ein Konzert mit Michael „Lunikoff“ Regener, zu dem am vergangenen Wochenende 1300 rechte Anhänger in ein Dorf in der Oberlausitz gekommen seien. Regener, früher Sänger der verbotenen Band Landser, sei NPD-Mitglied. Die Kneipe, in der das Treffen stattfand, gehöre einem NPD-Mann. „Natürlich weiß Holger Apfel, wer in seinen Reihen aktiv ist.“

Nicht die Flagge, unter der die Rechten segeln, sei entscheidend, sagt Szene-Kenner David Begrich. Es gebe - in Ost und West - Menschen, die seit Jahrzehnten nichts anderes seien als rechtsextrem. Mal gehören sie, wie Mundlos und Böhnhardt, zum „Thüringer Heimatschutz“, mal machen sie in der NPD Karriere. Der kürzlich zum NPD-Bundeschef gekürte Apfel selbst verhehlt nicht, dass die NPD mit den freien Kräften weiter „konstruktiv zusammenarbeiten wird“, auch im Sinne der „Nachwuchsrekrutierung“. Mecklenburg-Vorpommerns NPD-Fraktionschef Udo Pastörs spricht sogar ganz deutlich von freien Kräften, „auf die wir nicht verzichten wollen und können“.

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