Die FIFA steht am Scheideweg

Zürich (dpa) - Der Fußball-Weltverband FIFA steht nach den skandalösen Entwicklungen mit Festnahmen und Suspendierungen weltweit am Pranger und beschäftigt inzwischen sogar höchste politische Kreise.

Kremlchef Wladimir Putin hat der USA ungerechtfertigte Einmischung vorgeworfen und sich hinter dem umstrittenen FIFA-Präsidenten Joseph Blatter gestellt.

Unterdessen haben mehrere Sponsoren den Druck auf die FIFA erhöht, Organisationen wie Amnesty International fordern den Rücktritt von Blatter. Dessen Wiederwahl beim FIFA-Kongress am Freitag, die vor den dramatischen Entwicklungen am Mittwoch praktisch fix schien, ist immer noch wahrscheinlich, aber nicht nicht mehr garantiert.

In der FIFA-Zentrale versammelte Blatter am Donnerstagmorgen Vertreter der sechs Konföderationen. Auch UEFA-Chef Michel Platini als ranghöchster Vertreter der Anti-Blatter-Koalition nahm daran teil, bevor er beim Meeting der europäischen Verbände eintraf.

In mehreren Sitzungen berieten Vertreter verschiedener Konföderationen über ihre Strategie vor dem für Freitag geplanten Urnengang. Mit Spannung wurde das Treffen der 53 stimmberechtigten UEFA-Mitglieder am frühen Nachmittag in Zürich erwartet.

Blatter sagte angesichts der aktuellen Ereignisse alle seine geplanten Auftritte vor der offiziellen Kongress-Eröffnung in einem Zürcher Theater ab. Stattdessen traf er sich zu der Sondersitzung mit Vertretern aller sechs Konföderationen.

Die Spitze des europäischen Dachverbandes UEFA hatte sich am Mittwoch in bislang nicht gekannter Deutlichkeit gegen Blatter positioniert. Ein Boykott der Veranstaltung oder zumindest der Präsidentenwahl im Züricher Hallenstadion wurden als Möglichkeit in Erwägung gezogen. Nach den FIFA-Statuten könnte der Kongress aber auch ohne die europäischen Mitglieder stattfinden.

Für ihre harte Linie muss die UEFA-Führung um Platini und DFB-Chef Wolfgang Niersbach bei dem Treffen noch eine interne Mehrheit finden. Die UEFA hatte sich schon vor dem Skandal um jahrelange Korruption im nord- und südamerikanischen Fußball als einzige Konföderation zu Gegenkandidat Prinz Ali bin al-Hussein bekannt. Der Jordanier nahm auch an dem UEFA-Treffen teil.

Unterstützung bekommen die Blatter-Gegner derweil auch aus anderen Kontinentalverbänden. Nach dpa-Informationen wollen die Vertreter der südamerikanischen Konföderation CONMEBOL bei internen Gesprächen am Donnerstag ihr Wahlverhalten ernsthaft überdenken. Zudem sollen Gespräche mit Funktionären der UEFA und der CONCACAF-Zone aus Nord- und Mittelamerika gesucht werden. Die asiatische Konföderation AFC erneuerte dagegen am Donnerstag ihr Treuebekenntnis zu Blatter. Die AFC hat bei der Wahl 46 von 209 Stimmen. Auch Afrika (54 Stimmen) steht offenbar weiter treu zu Blatter.

Von ihren Sponsoren bekam die FIFA mahnenden Worte. Das Kreditkartenunternehmen Visa mahnte „rasche und sofortige Maßnahmen“ an, um die Probleme innerhalb der FIFA zu beheben. „Sollte die FIFA dies nicht tun, haben wir sie informiert, dass wir unser Sponsoring neu bewerten würden“, teilte das Unternehmen in einer Stellungnahme mit. Der südkoreanische Automobilhersteller Hyundai betonte, dass man die Lage genau beobachten wolle. „Als Unternehmen, für das ethischen Normen und Transparenz den höchsten Stellenwert besitzen, sind wir extrem besorgt über die eingeleiteten rechtlichen Schritte gegen bestimmte FIFA-Führungskräfte.“ Auch der Sportartikelhersteller Adidas und das Fast-Food-Unternehmen McDonalds richteten mahnende Worte an die FIFA.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) warf dem Weltverband mangelndes Engagement bei der Aufklärung des Korruptionsverdachts vor. „Die FIFA muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie Korruption in den eigenen Reihen seit Jahren nicht wirklich untersucht hat“, sagte Maas der „Saarbrücker Zeitung“ (Freitag). Mit Blick auf mögliche Bestechung bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften an Russland und Katar betonte der Minister: „Alle Fußballfans haben ein Recht darauf zu erfahren, was besonders im Vorfeld der WM-Vergaben wirklich passiert ist.“

In Moskau wächst die Sorge, dass Russland im Zuge der Ermittlungen die Austragungsrechte verlieren könnte. „Wir wissen von dem Druck, der auf Blatter ausgeübt wurde, mit dem Ziel, Russland die WM 2018 wegzunehmen“, sagte Putin. Sportminister Witali Mutko - auch UEFA- und FIFA-Exkomitglied - äußerte sich in Zürich jedoch moderat. „Es gibt kein Risiko, es gibt kein Problem.“

Nach Ermittlungen aus den USA waren am Mittwoch sieben Spitzenfunktionäre, darunter auch die FIFA-Vizepräsidenten Jeffrey Webb (Kaimaninseln) und Eugenio Figueredo (Uruguay), in Zürich festgenommen worden. Insgesamt stehen 14 Personen unter Korruptionsverdacht. Die US-Justiz hat auch gegen den früheren Chef des südamerikanischen Fußballverbandes CONMEBOL in Paraguay, Nicolás Leoz, einen internationalen Haftbefehl erwirkt. Jack Warner, eine weitere Schlüsselfigur, hatte sich am Mittwoch in Trinidad und Tobago der Polizei gestellt und wurde nach Zahlung einer Kaution von 2,5 Millionen Dollar auf freien Fuß gesetzt.

Das internationale Presse-Echo fiel für die FIFA und Blatter fatal aus. „Ihre dunklen Geister wird sie so schnell nicht los“, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“. Die New York Times stellte angesichts der Rolle der US-Justiz in dem Skandal süffisant fest: „Die FIFA wollte immer, dass Amerika sich mehr für den Fußball interessiert. Nun, das haben sie jetzt erreicht.“

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