Eurozone droht Rezession

Brüssel/Rom/Athen (dpa) - Die EU-Kommission hat mit alarmierenden Aussagen die Sorgen vor einer Eskalation der Krise in Europa verstärkt.

Die Schulden Griechenlands könnten nach Einschätzung der Brüsseler Behörde in den nächsten Jahren völlig aus dem Ruder laufen. Zudem drohe ganz Europa in eine Rezession zu schlittern.

Internationaler Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission riefen Griechenland und Italien dazu auf, endlich für politische Klarheit zu sorgen. Am Donnerstag schien es nach tagelangem Gezerre in beiden Ländern mit der Regierungsfindung voranzugehen. Sozialisten und Konservative in Athen einigten sich darauf, dass der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Lucas Papademos, Ministerpräsident einer neuen Übergangsregierung werden soll. In Italien schienen die Chancen für Ex-EU-Kommissar Mario Monti zu steigen, Nachfolger von Silvio Berlusconi zu werden. Die Lage am italienischen Anleihemarkt entspannte sich zudem deutlich.

Wenn die Hilfe für Athen nicht greife, werde die gesamtstaatliche Verschuldung 2012 und 2013 jeweils knapp 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen, warnte die EU-Kommission am Donnerstag in ihrer Herbstprognose. Das wäre mehr als das Dreifache der in der EU erlaubten Grenze von höchstens 60 Prozent der Wirtschaftsleistung. Für das laufende Jahr wird die griechische Verschuldung auf knapp 163 Prozent geschätzt.

„Das Wachstum in Europa ist zum Stillstand gekommen, und es besteht das Risiko einer erneuten Rezession“, erklärte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Die Wirtschaft werde bis weit ins Jahr 2012 hinein stagnieren. Die Wirtschaftsflaute, Schuldenprobleme und der anfällige Finanzsektor „scheinen sich in einem Teufelskreis gegenseitig zu beeinträchtigen“, schreibt die EU-Behörde.

Für die Eurozone erwartet Rehn im kommenden Jahr nur noch ein Mini-Wachstum von 0,5 Prozent nach 1,5 Prozent im laufenden Jahr. Für 2013 werden 1,3 Prozent angenommen. Deutschland werde im kommenden Jahr keine Konjunkturlokomotive mehr sein. Die deutsche Wirtschaft wachse voraussichtlich nur noch um 0,8 Prozent, so die Behörde. Im Folgejahr sollen es dann 1,5 Prozent sein.

Italien, das derzeit besonders unter dem Druck der Finanzmärkte steht, wird laut der Prognose zum Jahresende in die Rezession rutschen. Griechenland dürfte den Zahlen zufolge bis Ende 2012 darin verharren und erst 2013 wieder ein Mini-Wachstum erzielen.

In Rom und Athen stiegen am Donnerstag die Hoffnungen auf ein Ende der innenpolitischen Querelen. Der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos, soll eine neue griechische Übergangsregierung bis zu voraussichtlichen Neuwahlen im Februar führen. Diese Regierung soll die von Griechenland zugesagten Sparmaßnahmen umsetzen. Die internationalen Geldgeber wollen neue Hilfsmilliarden nur dann nach Athen überweisen, wenn sichergestellt ist, dass die Reformen verabschiedet werden. Der 64-jährige Papademos folgt dem sozialistischen Regierungschef Giorgos Papandreou, der am Mittwoch seinen Rücktritt angekündigt hatte.

In Italien deutete sich die Bildung einer Übergangsregierung unter Leitung des ehemaligen EU-Kommissars Mario Monti an. Neuwahlen wären damit vom Tisch. Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa aus Regierungskreisen berichtete, hatte der noch amtierende Regierungschef Silvio Berlusconi in einer nächtlichen Krisensitzung erklärt, eine Übergangsregierung sei unumgänglich. Auch einer Regierung unter Führung von Monti stehe er offen gegenüber. Bis zum Samstag will das italienische Parlament die Brüssel zugesagten Reformen verabschieden. Nachdem sie beschlossen sind - das hatte er angekündigt - will Berlusconi zurücktreten.

EU-Kommissar Rehn schickte am Donnerstag eine deutliche Botschaft nach Rom: „Die wichtigste Aufgabe Italiens ist es, politische Stabilität wieder herzustellen.“ Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, forderte bei einem Besuch in China „politische Klarheit“ in Rom. Die Ungewissheit in der Regierungskrise um Ministerpräsident Silvio Berlusconi trage besonders zur Sprunghaftigkeit der Finanzmärkte bei.

Die Lage am italienischen Anleihemarkt entspannte sich am Donnerstag allerdings deutlich. Nachdem die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen am Mittwoch auf neue Rekordstände über 7 Prozent gesprungen waren, sanken sie am Donnerstagvormittag kräftig unter diese stark beachtete Marke. Händler begründeten das unter anderem mit positiven Meldungen aus der italienischen Politik.

Die Europäische Zentralbank (EZB) mahnte Europas Regierungen angesichts des drohenden Absturzes der Konjunktur zu tiefgreifenden Reformen. Der EZB-Rat fordere „alle Regierungen des Euroraums auf, die Umsetzung substanzieller und umfassender Strukturreformen dringend zu beschleunigen“, schrieb die Notenbank in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Monatsbericht November. Einer EZB-Expertenumfrage zufolge trüben sich die Aussichten zunehmend ein. Die Erwartungen zur Wirtschaftsentwicklung sind nun sowohl für dieses Jahr als auch für 2012 und 2013 pessimistischer als zuvor.

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