Fragen & Antworten: Gefahr für Deutschland?

Frankfurt/Main (dpa) - Der Etatstreit in den USA droht die größte Volkswirtschaft der Welt erneut in eine Rezession zu stürzen. Schon wird ein weltweiter Flächenbrand befürchtet, der auch die deutsche Konjunktur ausbremsen und die Märkte in neue Turbulenzen bringen könnte.

Gerade erst hat sich die Lage in Europa etwas entspannt, nun droht Ungemach aus den USA: Misslingt die Einigung auf ein Sparpaket, könnte die Weltmacht von der „Fiskalklippe“ kippen - und in eine Rezession rutschen. Das würde die deutsche Wirtschaft schwer treffen.

Was ist die Fiskalklippe?

Die Fiskalklippe („fiscal cliff“) bezeichnet drohende automatische Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen. Diese entstehen, weil zum Jahreswechsel alte Erleichterungen auslaufen, die zum Teil noch auf die Ära von George W. Bush zurückgehen. Das würde das Haushaltsdefizit senken, aber die Konjunktur abwürgen.

Um wie viel Geld geht es?

Insgesamt geht es um mehr als 600 Milliarden Dollar (465 Milliarden Euro). Die Bank Unicredit zitiert Schätzungen der Haushaltsbehörde im US-Kongress (CBO), wonach die Folgen dieses massiven Sparprogramms für die US-Konjunktur dramatisch wären: Demnach würde die US-Wirtschaft im ersten Quartal 2013 um 4 Prozent und im zweiten um weitere 2 Prozent (jeweils auf Jahresrate hochgerechnet) schrumpfen, wenn sämtliche Steuerkürzungen und Investitionsprogramme automatisch auslaufen.

Welche Folgen hätte das für die deutsche Konjunktur?

Zuletzt wurde die deutsche Konjunktur vor allem von der Schuldenkrise im Euroraum gebremst. Jüngst stiegen die Erwartungen für 2013 aber wieder. Der zarte Aufschwung könnte allerdings durch eine Rezession in den USA gestoppt werden. Denn das Land ist der zweitwichtigste Markt für Deutschlands Exporteure. Zudem sind die USA immer noch Wirtschaftsmacht Nummer 1 in der Welt. Das bedeutet: Eine Rezession in den USA schwächt auch andere deutsche Handelspartner, wie zum Beispiel China und Frankreich - was wiederum deren Nachfrage nach Waren „Made in Germany“ drücken könnte.

Wie reagiert der Euro?

Nach den jüngsten positiven US-Konjunkturnachrichten wäre dem Euro fast der Sprung über die Marke von 1,33 US-Dollar gelungen. „Doch die Unsicherheit, ob es der US-Politik gelingt, die fiskalische Klippe zu umschiffen, bremste den Höhenflug der Gemeinschaftswährung“, betont Helaba-Analystin Claudia Windt. Weil sich im erbitterten US-Haushaltsstreit eine neue Front bei den Republikanern eröffnet habe, gab der Euro über Nacht deutlich nach. Denn damit sei eine Einigung vor dem Jahreswechsel unwahrscheinlich geworden - und das neue Jahr startet mit noch mehr Unsicherheit.

Wirkt sich der Budgetstreit auf die Börsenkurse aus?

Zunächst litten besonders Finanzwerte darunter, dass die Chancen auf eine Umschiffung der drohenden „Fiskalklippe“ über Nacht gesunken sind. Sollte der Kompromiss tatsächlich misslingen, könnten sich die satten Gewinne aus 2012 zumindest teilweise in Luft auflösen. Fondsmanager Adrian Brass von Fidelity betont: „Ich bin für 2013 defensiv eingestellt: Noch gibt es keine Lösung für die US-Fiskalklippe und für das Schuldendilemma in den USA und dem Rest der westlichen Welt. Die Notwendigkeit, Steuern zu erhöhen und Ausgaben zu senken, wird das Wirtschaftswachstum der entwickelten Welt voraussichtlich auf Jahre hinaus dämpfen.“

Gibt es alternative Anlagen?

Profitieren würden Anlageklassen, die als sicher gelten. So stiegen am Freitag die Kurse für deutsche Staatsanleihen deutlich. Die festgefahrenen Verhandlungen im US-Haushaltsstreit zwischen den Demokraten um Präsident Barack Obama und den Republikanern treibe die Anleger wieder in die sicheren Häfen, hieß es in einer Einschätzung der Privatbank HSBC Trinkaus.

Wie groß ist das Risiko, dass die USA von der Fiskalklippe stürzen?

Zwar ist die Gefahr gestiegen. Doch Ökonomen wie Christian Schulz von der Berenberg Bank glauben weiter an eine Einigung: „Demokraten und Republikaner haben ein Interesse an einem Deal, der die drohende Rezession verhindert.“ Die Situation erinnere zunehmend an das Vorjahr. Damals hatte der Kongress nach einem langen Nervenkrieg die Schuldenobergrenze in letzter Sekunde angehoben. Das habe zwar die Zahlungsunfähigkeit abgewendet, sagt Schulz: „Aber die Chance auf ein echtes Sparprogramm blieb ungenutzt.“ Auch jetzt sinke die Aussicht, dass die US-Politik eine langfristige Strategie für die Rückführung des Defizits finden könnte.

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