Gespräch: Seemannsrecht hält Kapitänspflichten fest

Hamburg/Kiel (dpa) - Dem Kapitän des Unglücksschiffs „Costa Concordia“, Francesco Schettino, wirft die zuständige italienische Untersuchungsrichterin verantwortungsloses Handeln vor. Welchen Gesetzen ist ein Kapitän verpflichtet?

Hamburg/Kiel (dpa) - Dem Kapitän des Unglücksschiffs „Costa Concordia“, Francesco Schettino, wirft die zuständige italienische Untersuchungsrichterin verantwortungsloses Handeln vor. Welchen Gesetzen ist ein Kapitän verpflichtet?

„Der Kapitän geht als letzter von Bord“ - dieser Ehrenkodex der Schifffahrt hat nach Erläuterungen von Rechtswissenschaftlern im deutschen Recht keine wortwörtliche Entsprechung. Aber aus dem Seemannsrecht leiten sich Pflichten für den Schiffsführer ab. Die Nachrichtenagentur dpa sprach mit der Professorin für Seerecht am Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht der Universität Kiel, Prof. Nele Matz-Lück, über die Rechtslage:

'Der Kapitän geht als letzter von Bord.' Gibt es dafür eine Rechtgrundlage?

Nele Matz-Lück: „Das ist zunächst einmal ein Ehrenkodex. Es gibt eine Konvention über die Sicherheit auf See, dort steht zu den Pflichten eines Kapitäns nichts Genaues drin. Es ist aber in der internationalen Praxis anerkannt, dass der Kapitän eine überragende Stellung an Bord hat. Er ist DER Verantwortliche für das Schiff. Das heißt: Auch Flaggenstaaten, im Fall der „Costa Concordia“ Italien, haben darauf zu achten, dass der Kapitän richtig ausgebildet ist und seine Verantwortung ernst nimmt.

Wie setzt Deutschland seine Flaggenstaatenpflichten um?

Nele Matz-Lück: „Unter anderem im deutschen Seemannsgesetz. Nach Paragraf 106 hat der Kapitän oberste Anordnungsbefugnis. Er ist verantwortlich, auch in Notsituationen alles erforderliche zu tun und anzuordnen, um Leib und Leben der Passagiere zu retten. Wenn ein Kapitän vorzeitig von Bord geht und sich in ein Taxi setzt und wegfährt, dann verletzt er diese Pflichten. Wenn ein Kapitän von Bord geht, weil er meint die Rettungsaktion von Land aus besser koordinieren zu können, müsste dieser Einzelfall geprüft werden.

Welche weiteren Pflichten gibt es ?

Nele Matz-Lück: „Paragraf 28 regelt die Bordanwesenheitspflicht. In Absatz 2 heißt es: 'Bei Seegefahr, insbesondere bei drohendem Schiffbruch, darf das Besatzungsmitglied das Schiff ohne Einwilligung des Kapitäns nicht verlassen, solange dieser selbst an Bord bleibt.' Das impliziert eine ganz starke Stellung des Kapitäns als Koordinator. So lange es geht, muss er alles tun, um das Schiff zu retten. Erst wenn nichts mehr zu retten ist, er selbst von Bord geht oder er die Einwilligung gibt, erst dann darf auch die Besatzung von Bord gehen. Das sind arbeitsrechtliche Regelungen. Aber sie zeigen, wie wichtig der Kapitän und seine Anordnungen sind.

Wie bewerten sie die Aufforderungen der italienischen Hafenbehörden an den Kapitän der „Costa Concordia“, vom Rettungsboot auf das Schiff zurückzukehren?

Nele Matz-Lück: „Er soll nicht einfach nur an Bord sein, er ist der Vorgesetzte - wenn er seine Aufgaben nicht formal an seinen 1. Offizier übertragen hat. In so einem Unglücksmoment wie auf der 'Costa Concordia' müsste man allerdings fragen, ob eine solche Übertragung zulässig ist nach dem Motto: 'Mach Du mal, ich bin dann jetzt weg.' Es muss immer klar sein, wer die Anordnungsbefugnis hat. Dass müssen international die Flaggenstaaten sicherstellen.“

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