Harting im Interview: „Ich bin jetzt extrem befreit“

London (dpa) - Diskus-Hüne Robert Harting hat nach zwölf Jahren die erste Goldmedaille für die deutsche Leichtathletik bei Olympischen Spielen gewonnen. In London gelang ihm im fünften Versuch mit 68,27 Meter der große Wurf.

Sie sind als der große Favorit in das Diskus-Finale gegangen. Warum haben Sie es so spannend gemacht?

Robert Harting: „Ich habe es nicht spannend gemacht, sondern der britische Kampfrichter. Man hat gesehen: Den ersten Wurf wollte ich nicht werfen, weil die 800 Meter anstanden. Ich musste trotzdem ran und beim zweiten Wurf waren die Leute so laut, ich konnte nicht denken. Beim dritten musste ich meine Scheibe im Ring ablegen, weil der Kampfrichter meinte, das Handtuch liege zu dicht am Ring. Es sind drei Würfe im olympischen Finale, da sind die Hälfte der Würfe weg, da ist es schwer in den Wettkampf reinzukommen.“

Neben dem Deutschland-Achtern und den Reiter galten Sie als der Topfavorit auf den Olympiasieg. Wie haben Sie diesen Erfolgsdruck empfunden?

Harting: „Ich bin jetzt extrem befreit. Druck war nichts Neues für mich. Aber in der Form, in der Dimension, in der Intensität war es schon sehr neu. Ich wusste aber auch, was ich kann, dass ich gut in Form bin und wenn ich einen erwische, dann haben es die anderen schwer.“

Erst im fünften Versuch ist Ihnen die Siegerweite von 68,27 Meter gelungen. Wie haben Sie sich dafür motiviert?

Harting: „Der Este Gerd Kanter hat mit seinen 68,03 Metern die Initialzündung für mich gegeben. Da wurde ich endlich wach. Irgendetwas muss ich nun mal machen.“

Jetzt sind Sie Olympiasieger. Ist das auch eine Befreiung?

Harting: „Das war so ein hartes Jahr. Es ist ein wunderschöner Moment, es hat sich viel gelohnt, das Beißen und Kämpfen. Schön das die Belohnung nun da ist. Ich habe alles getan. Ich bin erstmal sehr zufrieden und freue mich auf die nächsten Tage als Welt- und Europameister und Olympiasieger.“

Wie stark hat Sie ihr lädiertes Knie gehandicapt?

Harting: „Das Knie tut weh wie im letzten Jahr. Da wird eine Behandlung notwendig sein. Was die Zukunft dieses Themas angeht, will ich dem keinen Raum geben, weil ich schon soviel über das Knie gesprochen habe. Zehn Versuche kann ich gut belasten, dann wird es anstrengend. Das eigentliche Problem war heute im Wettkampf, dass die Beine immer schwerer wurden. Man konnte richtig fühlen, wie der Zweifel vom Zeh an immer höher rutschte bis zum Knie und bis zur Hüfte.“

Einmal mehr haben Sie ihr Nationaltrikot zerrissen...

Harting: „Es ist meine Art des Feierns und die Gefühle rauszulassen. Ich habe es schon bei der WM in Berlin und Daegu gemacht. Diesmal hatte ich es angekündigt.“

Nach dem fünften Versuch lagen Sie mit 68,27 Metern in Führung. Der Iraner Ehsan Hadadi, bis dahin an der Spitze liegend, hatte noch einen Wurf. Wie haben Sie diesen Moment des Bangens erlebt?

Harting: „Das war ein sehr unangenehmes Gefühl, weil ich auch nichts mehr machen konnte. Als sein Diskus in die Luft abhob, dachte ich, der sieht gar nicht so schlecht aus. Er hat aber die eigentliche Steigphase nicht beschritten, so dass ich davon ausgehen konnte, dass es reicht.“

Auf der Ehrenrunde sind Sie über die Hürden gelaufen. Wie kamen Sie auf diese verrückte Idee?

Harting: „Das war auch ein bisschen emotional für mich. Die Kampfrichter am Hürdenstart wollten es mir verbieten. Sie haben mich ein wenig provoziert, deshalb habe ich es gemacht. Es war einfach ein Spaß.“

Sie sind jetzt ein Mega-Sportstar in Deutschland. Sind Sie auch ein Kandidat für die „Sportler des Jahres“-Wahl?

Harting: „Ich bin derjenige, der die Leistung generiert hat. Das versuche ich so gut wie möglich darzustellen. Natürlich bestehe ich nicht auf irgendwelche Ehrungen, schon gar nicht, wenn es irgendwelche großen Institutionen sind. Ich fände es schön, wenn die Leute das so sehen und das honorieren würden.“

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