Keine normale Wahl für Merkel, Rösler und Steinbrück

Berlin (dpa) - Offiziell will die CDU von Kanzlerin Angela Merkel auf keine Stimme zugunsten der schwächelnden FDP verzichten.

Jeder kämpfe für sich, eine Leihstimmenkampagne komme nicht infrage, betont Merkel im Wahlkampf für die Wahl am 20. Januar in Niedersachsen - und auch für die Bundestagswahl im September. Doch insgeheim hoffen die Christdemokraten, dass so viele ihrer Wähler mit der Zweitstimme die Liberalen wählen, wie diese brauchen, um über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen - und es dennoch für ein eigenes starkes Ergebnis reicht.

Denn sonst könnte es in Land und Bund so aussehen: Die Union muss mit rund 40 Prozent in die Opposition. Ein Alptraum für die Schwarzen, ein Traum für die Roten. Trotz aller Hiobsbotschaften für den Koalitionspartner FDP und ihren angeschlagenen Parteichef Philipp Rösler, dem auch zu Jahresbeginn kein Befreiungsschlag gelang, können und wollen sich die Koalitionäre in Berlin den Verlust der Regierung in Hannover nicht vorstellen. Es wäre ein schwerer Dämpfer für Merkel auch im Bundestagswahlkampf.

Für SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück geht es nach dem völlig missratenen Start schon um fast alles, genauso wie für Rösler. Für Steinbrück könnte die Niedersachsenwahl eine Vorentscheidung bringen, wohin die Reise gehen wird. Allerdings wird in der Partei bisher ein Szenario mit einem Kandidatenaustausch als abwegig bezeichnet.

Aber die Debatte um Steinbrücks Nebenverdienste in Millionenhöhe, unglückliche Aussagen zur Angemessenheit des Kanzlergehalts und zuletzt ein Umfrageabsturz im direkten Vergleich zu Merkel zeigen eines: Die SPD und Steinbrück kommen bisher kaum in Tritt. Die Partei ist mit der Verteidigung des Kanzlerkandidaten beschäftigt statt inhaltlich zu punkten. Wird ein rot-grüner Sieg in Niedersachsen verpasst und schafft Schwarz-Gelb sogar den Machterhalt, dürfte sich die parteiinterne K-Debatte verschärfen.

Wenn Stephan Weil hingegen Ministerpräsident wird, könnte die SPD über den Bundesrat erheblichen Druck ausüben. Die Bundesregierung könnte in der Länderkammer kein Projekt mehr durchsetzen. Denn mit einem Regierungswechsel an der Leine zu Rot-Grün hätte die Opposition im Bundesrat eine sogenannte Gestaltungsmehrheit.

Niedersachsen ist also weit mehr als nur der erste große Test 2013 für Merkel und Steinbrück. Jene Partei, die dort die Regierung stellt, ist erst einmal auch im Bund deutlich gestärkt. Die SPD erinnert gern an 1998 als Gerhard Schröders Sieg in Niedersachsen den Machtwechsel zu Rot-Grün im Bund einläutete. Die Grünen können hoffen, ihre Stabilität auf hohem Niveau in Niedersachsen in einen Wahlerfolg umzumünzen - sie sind es, die die Option Rot-Grün dank ihrer guten Werte am Leben erhalten. Für die Linke ist die Wahl ein Gradmesser für ihre Verankerung im Westen und für die Piraten für ihre parlamentarische Stabilisierung. Beide Parteien müssen aber laut Umfragen mit einem Scheitern in Niedersachsen rechnen.

Eine regelrechte Schicksalswahl dürfte es für FDP-Chef Rösler werden. Schon jetzt trauen ihm viele Parteimitglieder nicht zu, alte liberale Werte der Partei so zu verkörpern, dass Stammwähler gehalten werden können oder neue Wähler von der Notwendigkeit der FDP überzeugt werden. Schafft die Partei in Niedersachsen den Wiedereinzug nicht, gelten seine Cheftage als gezählt. Die Frage sei dann nur, ob er gleich zurücktreten oder der reguläre Parteitag im Mai abgewartet werde, heißt es. Die spannende Frage ist: Was passiert, wenn die FDP die 5-Prozent-Hürde überspringt? Darf Rösler dann Chef bleiben und Spitzenkandidat für die Bundestagswahl werden?

Das Problem der FDP: Sie würde Fraktionschef Rainer Brüderle (67) gern die Macht antragen, am besten im Tandem mit Christian Lindner (34). Doch der FDP-Landeschef hat versprochen, Nordrhein-Westfalen nicht zu verlassen. Und Brüderle steht zwar für Stabilität, aber nicht für Aufbruch.

Mit diesen Konstellationen zeichnet sich ab, dass die Wahl in Niedersachsen für alle Parteien eine enorm wegweisende Bedeutung hat - persönlich werden zwei Protagonisten der Bundesebene am Wahlabend aber besonders im Fokus stehen: Philipp Rösler und Peer Steinbrück.

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