Nach Schlappe in Karlsruhe: Kontroversen im Kanzlerwahlverein

Hannover (dpa) - Der neue Tiefschlag kam pünktlich zum Parteitag: Nach Frankfurt am Main und Stuttgart ging der CDU am Sonntag mit Karlsruhe eine weitere Großstadt in diesem Jahr verloren.

Ein paar Stunden, bevor die 1001 Delegierten am Montag zum 25. Parteitag der Christdemokraten nach Hannover reisten, war das Wasser auf die Mühlen all jener, die eine falsche Ausrichtung der Partei auf die Wählerklientel in den Großstädten sehen. Verantwortlich: die Parteivorsitzende Angela Merkel.

Die Kanzlerin schlendert am Montag dennoch ziemlich entspannt durch Halle 13 der Deutschen Messe Hannover. Ortsbesichtigung. Stimmt die Kamera-Perspektive? Sind die Lautsprecher gut eingestellt?

Besonders lang lässt sich die Vorsitzende - im ockerfarbenen Blazer, passend zur Farbe des Podium-Bodens und zum Rednerpult - den multimedialen Clou des Parteitags erklären. Auf einem 36 Meter breiten und gut vier Meter hohen Bildschirm soll das gesamte Programm gezeigt werden - inklusive der Reden, des Mottos „Starkes Deutschland. Chancen für Alle!“ und zahlreicher Animationen. „Das ist der größte Bildschirm, den es bisher je auf Parteitagen in Deutschland gegeben hat“, schwärmen die Organisatoren.

Doch nur Routine ist der Rundgang für Merkel diesmal nicht. Seit Monaten rumort es in der Partei. Lauter als in früheren Jahren. Der Absturz bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg hat die Partei tief verunsichert. Eine Kehrtwende ist kaum abzusehen. Nächstes Jahr droht in Niedersachsen trotz sehr guter Umfragewerte der Machtverlust - falls die FDP scheitert. Und mit Blick auf Karlsruhe muss Merkel einräumen: „Natürlich kann die CDU Volkspartei nur sein, wenn sie auch in den Städten stark ist.“

Auch deswegen sollen Nachrichten von einer geschlossenen CDU aus Hannover Rückenwind für Niedersachsen-Wahlkämpfer und Ministerpräsident David McAllister bringen. Und natürlich auch für Merkel bei ihrem Anlauf zur zweiten Wiederwahl als Kanzlerin im Herbst 2013. Frust und Unmut in den eigenen Reihen könnte das Bild trüben. Die gewünschte Aufbruchstimmung wäre dahin.

Merkel und andere CDU-Granden zogen deswegen in den vergangenen Tagen an vielen politischen Strippen, um Unzufriedene rechtzeitig einzufangen. Oder mit klaren Ansagen die Richtung vorzugeben: Stimmt ihr anders, könntet ihr unser wertvollstes Wahlkapital, Merkel selbst, beschädigen, sollte das Signal sein. Denn die Kanzlerin kommt nach sieben Jahren Regierung auf Beliebheitswerte bei der Bevölkerung, von denen SPD-Kontrahent Peer Steinbrück nur träumen kann. Fraktionschef Volker Kauder (CDU) hat das Wahlkampf-Motto für 2013 auf den Punkt gebracht: „Auf die Kanzlerin kommt es an.“

Merkel, der oft vorgehalten wird, zu viel zu lavieren, hatte direkt vor dem Delegiertentreffen versucht, die Konservativen in den eigenen Reihen mit einer Absage an die steuerliche Gleichstellung von Homosexuellen-Ehen einzubinden. Am Montag versucht sie dann, den Eindruck zu zerstreuen, sie habe eine Debatte unterdrücken wollen: Natürlich freue sie sich auf alle Diskussionen in Hannover, dazu sei ein Parteitag schließlich da.

Eine zentrale Rolle beim wohl wichtigsten Streitthema des Konvents - der Forderung der Frauen-Union nach höheren Renten für ältere Mütter - spielt Generalsekretär Hermann Gröhe. Schafft er es mit einem Kompromissvorschlag, die aufgebrachten Frauen zufriedenzustellen? Das wird sich erst am Dienstagabend zeigen, wenn aller Voraussicht nach über die Mütter-Rente diskutiert wird. Merkel zeigte sich zum Kompromiss entschlossen: „Wir haben hier eine Ungerechtigkeit.“ Sie werde „dafür werben, dass wir (...) hier ein Zeichen setzen“. Aber die „soliden Finanzen“ dürften nicht aus den Augen verloren werden.

Spannend bleibt, wie die Vorsitzende den Spagat von Hannover löst. Gibt die Partei den reinen „Kanzlerwahlverein“, könnte das ein dreiviertel Jahr vor der Bundestagswahl schnell als Grabesstille ausgelegt werden. Die Herausforderung für Merkel dürfte es sein, den internen Ärger in eine produktive Richtung zu lenken. Und die CDU als diskussionsfreudige, offene Partei zu präsentieren, die die Anliegen der unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus ernst nimmt.

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