Nobelpreis für die EU: viel Zustimmung und einige Kritik

Oslo (dpa) - Von enttäuscht und wütend über stolz und gerührt bis hin zu überrascht: Politiker und Menschenrechtler haben am Freitag unterschiedlich auf den Nobelpreis für die Europäische Union reagiert.

Ein selektierter Überblick:

- RUSSLAND: Die Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina warf dem Nobelpreis-Komitee „Impotenz“ vor. Die Verleihung des Preises an eine staatliche bürokratische Struktur wie die EU sei „lächerlich“, sagte sie. Der Duma-Abgeordnete Wjatscheslaw Nikonow, Vize-Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und Mitglied der Regierungspartei Geeintes Russland, sagte: „Mit Friedenssicherung beschäftigt sich die EU zuallerletzt. Sie ist ein bürokratisches Wirtschaftsinstrument.“ Die Verleihung sei der Versuch, die EU moralisch zu stützen. Russische Bürgerrechtler hatten sich große Hoffnungen auf den Preis gemacht.

- TSCHECHIEN: Der Präsident und EU-Skeptiker Vaclav Klaus tat die Vergabe an die EU in einer ersten Reaktion als „Scherz“ ab. Der neoliberale Staatschef könne die Nachricht nicht glauben, sagte sein Sprecher der Zeitung „Pravo“. Außenminister Karel Schwarzenberg begrüßte dagegen die Osloer Entscheidung. Er bezeichnete die Europäische Union als größtes Friedenswerk der Nachkriegszeit.

- USA: Die USA würdigten die „außergewöhnlichen Errungenschaften“ der EU beim Frieden und der europäischen Einheit nach dem Zweiten Weltkrieg. „Wir sprechen von einer Region in der Welt, die zweimal in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Krieg versunken ist und die durch das Projekt Europäische Union demonstriert hat, dass die Beilegung von Differenzen auf politische Weise ein bei weitem besserer Weg ist als durch Krieg“, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney.

- ISRAEL: Auch Israel gratulierte der Europäischen Union zur Zuerkennung des diesjährigen Friedensnobelpreises. „Der beispielhafte Erfolg der EU bei der Schaffung von Frieden nach zwei Weltkriegen ist eine Inspiration für die ganze Nationenfamilie“, schrieb Außenamtssprecher Jigal Palmor in einer Mitteilung. Israel habe ein besonderes Interesse an den europäischen Errungenschaften im Hinblick auf Frieden.

- RAT DER EU: Präsident Herman Van Rompuy sprach von einer „unglaublichen Ehre“. Der Gipfelchef schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, es sei die „größtmögliche Anerkennung der tiefen politischen Motive, die hinter der Union stehen“.

- NATO: Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen würdigte die EU als „einzigartigen und entscheidenden Partner“ des Bündnisses. „Die EU hat eine wesentliche Rolle bei der Heilung der Wunden der Geschichte und bei der Förderung von Frieden, Aussöhnung und Zusammenarbeit in Europa gespielt“, heißt es in einer Erklärung.

- EU-KOMMISSION: Präsident José Manuel Barroso bezeichnete die Verleihung als „große Ehre“. „Selbst in diesen schwierigen Zeiten bleibt die EU eine Inspiration für Länder und Menschen in der ganzen Welt und die internationale Gemeinschaft braucht eine starke Europäische Union“, sagte er. Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) sagte dem Fernsehsender n-tv: „Wir alle können ein bisschen stolz sein, aber es ist auch eine Verpflichtung.“ Seine Kollegin Maria Damanaki twitterte: „Wir sind glücklich, Europäer zu sein.“ Die Außenbeauftragte Catherine Ashton schrieb in einer Mitteilung: „In den EU-Ländern sind historische Feinde enge Partner und Freunde geworden.“

- EUROPAPARLAMENT: Präsident Martin Schulz (SPD) zeigte sich „sehr berührt und geehrt“ von der Entscheidung. „Die EU ist ein einzigartiges Projekt, das Krieg durch Frieden und Hass durch Solidarität ersetzt hat“, twitterte Schulz. „Versöhnung ist das Ziel der EU.“ Er sprach sich dafür aus, dass Kommissionspräsident Barroso den Preis in Oslo entgegennimmt.

- FRANKREICH: Präsident François Hollande sieht den Nobelpreis als große Ehre und Ansporn. „Diese Auszeichnung verpflichtet uns alle, den Weg zu einem Europa fortzusetzen, das noch vereinter, noch gerechter, noch stärker und noch friedensstiftender ist“, sagte er. Der frühere Kommissionspräsident Jacques Delors bezeichnete den Preis als eine zugleich moralische und politische Botschaft.

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