Porträt: Der grüne Chef-Stratege Stefan Wenzel

Hannover (dpa) - „Das Fell des Bären wird erst zerteilt, wenn er erlegt ist“, sagt Stefan Wenzel. Im Klartext: Vor dem Wahlabend will sich der 50-jährige Chefstratege der Niedersachsen-Grünen zu Posten in einer möglichen rot-grünen Landesregierung nur ungern äußern.

Aber er signalisiert, für das Amt des Umweltministers bereitzustehen. Wenzel gilt als gesetzt für ein Ministeramt, sollte seine Partei zusammen mit der SPD eine Mehrheit bilden. „Wir wollen auf Augenhöhe mit einem künftigen Koalitionspartner SPD ins Gespräch kommen, die die Balance wahrt und so angelegt ist, dass sie zehn Jahre verlässlich gestalten kann - überall dort, wo es notwendig wird. Und da gibt es verdammt viele Baustellen“, gibt Wenzel den Kurs vor.

Für welchen Posten er dann infrage käme? „Ich glaube, dass Stefan Wenzel auch Wirtschaft und Finanzen kann, aber ich denke, dass wir ihn dringend für Umwelt und Energie brauchen - da hat er sich in den letzten Jahren eine hohe Kompetenz angeeignet“, sagt Anja Piel. Sie bildet gemeinsam mit Wenzel das grüne Spitzen-Duo. Ihr werden gute Chancen eingeräumt, Wenzel als Fraktionschef zu beerben.

Der in Dänemark geborene Göttinger mit den buschigen Augenbrauen kann auf 14 Jahre Erfahrung im Landtag zurückblicken - in der Opposition. Seit 2004 profilierte er sich als Fraktionsvorsitzender, knüpfte wichtige Kontakte, machte sich als Realo-Vertreter mit seiner ruhigen, ausgeglichenen Art einen Namen. Er gilt als redegewandt und kompetent, lässt mitunter Humor aufblitzen, nimmt aber selten ein Blatt vor den Mund. In der Affäre um Ex-Bundespräsident Christian Wulff machte er bundesweit Schlagzeilen, als er den einstigen Ministerpräsidenten öffentlich einen Lügner nannte.

Seine Redetexte erprobt er mitunter bei der eigenen Familie: „Ich mache bei meinen Kindern besonders gerne den Test, ob der Text auch bei den Jugendlichen ankommt. Wenn man dann schon ein Gähnen erntet....“, sagt er, ohne den Satz zu beenden. Es ist ihm wichtig, so betont er, nicht nur seine eigene Generation anzusprechen. Für Wenzel wie Piel bildet die Familie ein Rückzugs-Refugium und stellt auch einen Teil der eigenen Motivation dar.

„Ich habe drei Kinder, drei Töchter. Jede zweite Tochter wird heute (statistisch) bis zu 100 Jahre alt - das heißt, meine Kinder werden möglicherweise das Ende des Jahrhundert erleben. Ich möchte, dass wir unseren Kindern eine lebenswerte Umwelt hinterlassen“, begründet der Agrarökonom und Ex-Ökowein-Händler sein Engagement.

In einem Wohnprojekt aus Niedrigenergiehäusern mit Blockheizkraftwerk erprobt er die Umsetzung der Energiewende auch praktisch. Wie Piel fand er seine politische Heimat beim Atomprotest. Drei Tage nach dem Atomunglück in Tschernobyl, am 29. April 1986, wurde er Grünen-Mitglied. „Da saßen wir frustriert in der Küche und haben uns überlegt: Was machen wir jetzt?“ erinnert er sich. „Und dann haben wir gedacht: Jetzt treten wir mal bei den Grünen ein.“

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