Der Terror von Paris: Was wir wissen - und was nicht

Paris/Berlin (dpa) - Stück für Stück fügen die Ermittler nach den verheerenden Terroranschlägen von Paris die Puzzleteile zusammen. Es sind aber auch noch viele Fragen offen.

Der Terror von Paris: Was wir wissen - und was nicht
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WAS WIR WISSEN:

- Die Attacken wurden von drei Terrorkommandos verübt. Sie schlugen am Freitagabend an sechs Orten in Paris und im Vorort Saint-Denis koordiniert zu, schossen wahllos auf Menschen oder sprengten sich selbst in die Luft. Die Angreifer benutzten Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow und trugen identische Sprengstoffwesten.

- Die meisten Opfer gab es beim Überfall auf ein Rockkonzert im Konzerthaus „Bataclan“. Auch mehrere Cafés und Restaurants in der Nähe wurden beschossen. Drei Selbstmordattentäter sprengten sich vor dem Fußballstadion Stade de France in die Luft, wo die deutsche Nationalmannschaft gegen Frankreich spielte. Die Terroristen wollten auch ein Blutbad im Stadion anrichten, gelangten aber nicht hinein.

- Mindestens 129 Menschen wurden getötet, 352 weitere teils lebensgefährlich verletzt. Unter den Todesopfern sind zwei Deutsche: ein 28-jähriger Architekt aus Oberbayern, der schon länger in Paris lebte, und ein 51-jähriger Niedersachse, der mit seiner Familie seit Jahren bei Dijon in Frankreich lebte.

- Sieben Terroristen starben. Einer wurde erschossen, sechs sprengten sich in die Luft. Zuerst war von acht getöteten Angreifern die Rede. Inzwischen sind fünf der sieben toten Attentäter identifiziert.

- Mindestens ein Terrorverdächtiger ist auf der Flucht. Der 26-jährige Salah Abdeslam, Bruder eines der Selbstmordattentäter, wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Nach dem Anschlag geriet er nahe der belgischen Grenze in einem grauen VW Golf mit zwei Mitreisenden in eine Routinekontrolle, die Polizei ließ ihn aber weiterfahren. Ein festgenommener dritter Bruder ist wieder frei.

- Inzwischen sind gleich mehrere Verbindungen bekannt, die Abdeslam belasten: Er hatte einen schwarzen VW Polo mit belgischem Kennzeichen angemietet, der in der Nähe des „Bataclan“ gefunden wurde. Am Dienstag wurde im 18. Arrondissement ein weiterer von Abdeslam angemieteter Wagen sichergestellt, ein schwarzer Renault Clio. Ab dem 12. November sollen zudem zwei Zimmer in Alfortville nahe Paris für eine Woche mit Abdeslams Bankkarte gemietet worden sein.

- Möglicherweise gelang überlebenden Angreifern die Flucht. Ermittler stellten am Sonntag östlich von Paris einen schwarzen Seat sicher, aus dem heraus die Attentäter die Cafés und Restaurants beschossen hatten. Darin wurden laut Medien drei Kalaschnikows gefunden.

- Die Attentate wurden nach Erkenntnissen der Ermittler von Syrien aus „organisiert“ und „geplant“. Ein Drahtzieher soll laut Medien Abdelhamid Abaaoud (28) sein, der meistgesuchte Islamist Belgiens. Der Belgier mit marokkanischen Wurzeln lebte früher in der Brüsseler Islamistenhochburg Molenbeek, zuletzt soll er sich in Syrien aufgehalten und für die Terrormiliz Islamischer Staat gekämpft haben.

- Die Organisation bekannte sich in einer zunächst nicht verifizierbaren Erklärung im Internet zu den Anschlägen. Die Botschaft soll von einem 35-jährigen französischen Dschihadisten vorgelesen worden sein, der sich in Syrien aufhalten soll. Auch Frankreich macht den IS für die Taten verantwortlich. Die Angreifer sollen beim Überfall auf das „Bataclan“ „Allah ist groß“ gerufen und ihre Taten mit der Situation in Syrien und im Irak begründet haben. In beiden Ländern fliegt Frankreich Luftangriffe.

- Einer der „Bataclan“-Attentäter war der 29-jährige Franzose Omar Ismaïl Mostefaï. Der mehrfach vorbestrafte Kleinkriminelle war den Behörden wegen seiner Radikalisierung bekannt, fiel aber bisher nicht im Zusammenhang mit Terrornetzwerken auf. Die Türkei will Frankreich aber 2014 vor Mostefaï gewarnt haben - ohne Reaktion.

- Ebenfalls im „Bataclan“ sprengte sich Samy Amimour (28) in die Luft. Er wurde mit internationalem Haftbefehl gesucht, nachdem er 2012 der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung beschuldigt wurde und 2013 untergetaucht war.

- Zwei weitere Selbstmordattentäter wurden als französische Staatsangehörige identifiziert, die in Belgien lebten: der 31-jährige Brahim Abdeslam und der 20-jährige Bilal Hadfi. Abdeslam hatte nach AFP-Informationen für den Zeitraum von 10. bis 17. November im Pariser Vorort Bobigny eine Wohnung angemietet. Hadfi soll in Syrien gewesen sein und sich dort dem IS angeschlossen haben.

- Bei den Überresten eines der Selbstmordattentäter vom Stade de France wurde ein syrischer Pass gefunden. Es verdichten sich die Hinweise, dass dieser Mann und ein weiterer Attentäter gemeinsam als Flüchtlinge getarnt in die EU einreisten. Einer von ihnen, ein 25-Jähriger namens Ahmed al-Mohammed, soll über die Balkanroute gekommen sein. Am 3. Oktober war er laut griechischen Behörden als Flüchtling auf der Insel Leros registriert worden. Nach Medieninformationen aus Polizeikreisen könnte auch sein mutmaßlicher Komplize über die Türkei nach Griechenland eingereist sein. Beide sollen zusammen von Leros aus die Fähre nach Piräus genommen haben.

- Die Polizei nahm am Samstagabend in Molenbeek sieben Verdächtige fest. Zwei von ihnen sind die Männer, die zuvor mit Salah Abdeslam im Auto unterwegs waren - gegen sie wurde Haftbefehl erlassen. Es handelt sich um zwei Belgier, Mohammed Amri (27) und Hamza Attouh (21). Laut Amris Anwalt sollten sie Abdeslam aus Paris abholen. Bei dem Einsatz wurde auch der Wagen sichergestellt.

- In Alsdorf bei Aachen nahm die Polizei am Dienstag sieben Personen fest. Der Terrorverdacht bestätigte sich aber in keinem Fall.

- Die italienische Polizei fahndet im Zusammenhang mit den Anschlägen nach einem 32 Jahre alten Franzosen namens Baptiste Burgy. Gegen ihn soll es einen konkreten Verdacht geben. Details sind nicht bekannt.

WAS WIR NICHT WISSEN:

- Es ist unklar, ob unter den Toten und Verletzten weitere Deutsche sind. Bis Dienstagnachmittag waren 117 Todesopfer identifiziert.

- Offen ist nach wie vor, wie viele Terroristen und Komplizen es insgesamt gab - und damit auch, wie viele Täter noch auf freiem Fuß sind. Besteht noch akute Gefahr?

- Noch sind nicht alle getöteten Attentäter identifiziert. Lebten sie in Frankreich oder kamen sie aus dem Ausland? In welcher Verbindung standen die Terroristen zueinander, wie organisierten sie sich? Und welche Rolle spielte der angebliche Drahtzieher Abaaoud? Fragen wirft auch der gefundene syrische Pass auf. Warum hatte ihn der Attentäter überhaupt bei sich? Sollte eine falsche Fährte gelegt werden? Die Echtheit ist nicht bestätigt. Es gibt Informationen, wonach der Pass einem vor Monaten in Syrien getöteten Mann gehört haben könnte. Die Fingerabdrücke des toten Terroristen stimmen aber mit denen des in Griechenland als Flüchtling registrierten Mannes überein.

- Die Ermittlungen haben ans Licht gebracht, dass Salah Abdeslam vor rund zwei Monaten in Deutschland und Österreich unterwegs war. Was wollte er dort? Die Rede ist von zwei Begleitern - wer waren sie?

- Rätsel gibt ein Mann aus Montenegro auf, der vor gut einer Woche von der Polizei in Oberbayern mit Maschinenpistolen, Handgranaten und Sprengstoff im Auto gestoppt wurde. Angeblich war er damit auf dem Weg nach Paris. Ein Zusammenhang mit den Anschlägen wird geprüft.

- Unklar ist auch die Rolle eines nach den Anschlägen im Sauerland festgenommenen Algeriers. Er soll gegenüber Mitbewohnern in einer Flüchtlingsunterkunft geäußert haben, dass in Paris etwas passieren werde. Wusste er wirklich etwas? Oder wollte er sich nur wichtig tun?

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