Wie der IS im Netz um Anhänger wirbt

Kairo/San Francisco (dpa) - Die Bauern stehen Schlange. In Säcken gestapelt liegt Dünger bereit, jeder Wartende soll seinen Anteil erhalten. Ein Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beugt sich über einen Laptop und protokolliert die Verteilung.

Wie der IS im Netz um Anhänger wirbt
Foto: dpa

Die Szenen gehören zu einer Fotoreportage, die das „Agrarbüro“ der Miliz in ihrer „Provinz al-Furat“ gemacht haben will, so bezeichnen sie die eroberte Region im Nordirak entlang des Euphrat. Auf weiteren Bildern ist zu sehen, wie Dschihadisten mit ölverschmierten Händen eine Wasserpumpe in Gang bringen. Es grünt im Herrschaftsgebiet des IS, lautet die Botschaft der Bilder.

Im vergangenen Sommer katapultierte sich der IS mit Gräueltaten in die Weltöffentlichkeit. Die Dschihadisten gründeten ein selbst ernanntes „Kalifat“ in Syrien und im Irak. Journalisten und Entwicklungshelfer wurden enthauptet, „Ungläubige“ brutal ermordet und in Massengräbern verscharrt. All diese Bilder gingen ungefiltert um die Welt - denn der IS hat außerhalb seines Gebiets noch einen zweiten Kampfplatz: das Internet.

Wie keine Terrororganisation zuvor hat es der IS gelernt, die virtuelle Front für seine Zwecke zu nutzen. Im Netz kursieren Videos, die die äußerste Brutalität der Miliz in die Ästhetik von Hollywood-Filmen packen. Aber sie bilden nur die Speerspitze, eine Horrorshow für den Westen. Dutzende weitere Filme und Podcasts sowie Hunderte Fotoserien sollen vom sorgenfreien Leben im IS-Gebiet zeugen. Nur ein Teil beschäftigt sich mit den militärischen Erfolgen, der Rest ist Propaganda vom angeblich blühenden Alltag in der Region unter Kontrolle der Islamisten.

Für die Verbreitung ihrer Propaganda kann die Miliz auf Tausende Anhänger zählen. Das US-Politikinstituts Brookings zählte zwischen Oktober und November 2014 mindestens 46 000 Profile auf dem Online-Netzwerk Twitter, die den IS unterstützten. Drei Viertel der Tweets wurden auf Arabisch versendet, die meisten kamen aus dem Irak und Syien sowie aus Saudi-Arabien, Ägypten und anderen arabischen Ländern.

Der IS sammelt dazu Anhänger aus aller Welt, denen die Reise in das ausgerufene „Kalifat“ zwar zu gewagt ist, die aber per Mausklick ein bisschen Dschihad betreiben können. IS-Unterstützer twitterten öfter als die durchschnittlichen Nutzer, so die Brookings-Forscher, und seien untereinander eng vernetzt.

Twitter stellt das vor eine Herausforderung: 500 Millionen Tweets werden nach Angaben des Unternehmens jeden Tag über den Dienst geschickt. Sie alle zu prüfen, sei nicht praktikabel, schrieb Twitter-Chefjurist Vijaya Gadda Ende der Woche an den US-Kongress.

Twitter verlässt sich auf Beschwerden von Nutzern, die auffällige Profile und Tweets melden können. Rund um die Uhr werde geprüft, ob die beanstandeten Nachrichten gegen Twitters Regeln verstoßen. „Wir haben tausende Twitter-Profile von Terror-Organisationen oder Unterstützern suspendiert, weil ihre Gewaltdarstellungen gegen unsere Nutzungsbedingungen verstoßen“, schrieb Gadde. Auch Youtube-Clips verschwinden immer wieder von der Videoplattform, die zu Google gehört. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, denn die Islamisten erstellen laufend neue Profile. Doch das kostet Zeit und Mühe, die Verbreitung der Propaganda werde so erschwert, befand Brookings.

Auch die Hacker von Anonymus haben den Dschihadisten einen virtuellen Krieg erklärt. Wo immer islamistische Foren gebastelt werden, arbeiten sie an deren Zerstörung. „ISIS; Wir werden euch jagen, eure Seiten, Profile und E-Mails vom Netz nehmen, euch bloßstellen“, heißt es gewohnt martialisch in einer Ankündigung von Anonymous-Anhängern vom Februar. Hunderte Social-Media-Konten wurden angegriffen oder gemeldet, viele verschwanden vom Netz.

Doch längst verschwimmen die Grenzen, wer im Auftrag der Miliz Propaganda betreibt und wer sich nur einen bösen Scherz erlaubt. Anfang März starteten Unbekannte von einem ägyptischen Server aus einen Facebook-Klon namens 5elafabook. Das Wort „5elafa“ ist eine aus dem Arabischen umgeschriebene Form von Kalifat - die Gründer wollten angeblich ein soziales Netzwerk für Islamisten schaffen.

Nur zwei Tage war 5elafabook online, verfügbar unter anderem in Englisch und Deutsch - nicht aber auf Arabisch. Anstatt um Islamisten dürfte es sich bei dem Projekt um Trittbrettfahrer handeln.

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