Amazon trennt sich von umstrittenem Sicherheitsdienst

München(dpa) - Amazon zieht angesichts der heftigen Kritik an dem Umgang mit Leiharbeitern erste Konsequenzen. Der Internet-Händler trennt sich von einer Sicherheitsfirma, die unter anderem Wohnanlagen für Saisonkräfte in den deutschen Logistikzentren des Konzerns überwachte.

„Amazon hat veranlasst, dass die Zusammenarbeit mit dem kritisierten Sicherheitsdienst mit sofortiger Wirkung beendet wird“, sagte eine Sprecherin am Montag in München und bestätigte einen Bericht von „sueddeutsche.de“.

Seit der Ausstrahlung einer ARD-Dokumentation über schlechte Arbeitsbedingungen von Zeitarbeitern in Deutschland erlebt der US-Konzern einen Sturm der Entrüstung. Vor allem im Internet machen viele Kunden ihrem Unmut Luft und drohen mit einem Boykott. Am Wochenende hatte sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in die Debatte eingeschaltet und der Leiharbeitsfirma, die mit Amazon zusammenarbeitet, mit einem Lizenzentzug gedroht. Die Firma selbst lehnte am Montag jeden Kommentar ab.

Die Zeitarbeitsbranche will unsaubere Praktiken nicht hinnehmen. „Immer dort, wo illegale beziehungsweise unethische Machenschaften im Zusammenhang mit Zeitarbeitseinsätzen praktiziert werden, distanzieren wir uns ausdrücklich hiervon“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), Werner Stolz, am Montag in Münster. Die Mitglieder des Verbands hätten sich einem Ethikkodex verpflichtet und arbeiteten zudem mit einer Schlichtungsstelle zusammen.

Verdi kritisierte Amazon erneut scharf: „Ein ähnlicher Fall wie bei Amazon ist uns noch nicht vorgekommen“, heißt es bei Verdi Hessen in Frankfurt. Einen ähnlich großen Bedarf an Saisonarbeitern - Amazon verdoppelt zum Weihnachtsgeschäft seine Belegschaft etwa im Logistikzentrum Bad Hersfeld nahezu - gebe es bei keinem anderen Betrieb. Bundesweit beschäftigt Amazon nach eigenen Angaben in den deutschen Logistikzentren 7700 fest angestellte Mitarbeiter und greift zu Spitzenzeiten auf befristete Angestellte und Leiharbeiter zurück.

Insgesamt sei diese Praxis aber kein Einzelfall. Die Strategie, typische Tätigkeiten außerhalb des Tarifvertrags für den Einzelhandel von Fremdfirmen erledigen zu lassen, verfolgten nahezu sämtliche Einzelhändler von Real bis Rewe, sagte der Frankfurter Verdi-Sekretär Bernhard Schiederig. So erhielten die Wareneinräumer oft nur 6 bis 7 Euro statt der eigentlich fälligen 11,69 Euro. Inzwischen säßen selbst an den Kassen gelegentlich schon Leiharbeiter. „Der Verdrängungswettbewerb wird über Niedriglöhne geführt.“

Bei den ebenfalls heftig umstrittenen Paketdiensten laufe die Billigmasche vor allem über die Zwischenschaltung von nicht tarifgebundenen Subunternehmern, berichtete Tarifsekretär Patrick Fois in Fulda. Die betroffenen Unternehmen hätten zwar Besserung gelobt, hielten aber teilweise immer noch an Verträgen fest, die Fahrer mit einem „Bruttolohn 1200 Euro all inclusive“ abspeisten. Damit sollten sämtliche Überstunden und Zuschläge abgegolten sein.

Kritik an den Arbeitsbedingungen im Versandhandel hatte es bereits zuvor gegeben, etwa beim Online-Versandhaus Zalando. Das Unternehmen hat dagegen nach eigenen Angaben Maßnahmen ergriffen. „Wir haben Sozialstandards entwickelt, die für unsere eigenen Standorte gelten sowie für Dienstleister im Bereich Logistik. Diese Standards wurden von unseren Dienstleistern unterschrieben. Die Einhaltung soll künftig durch externe Prüfer kontrolliert werden“, sagte ein Sprecher am Montag der dpa.

Der Kölner Enthüllungsjournalist Günter Wallraff prangerte die Arbeitsbedingungen bei Amazon an: „Mir sind mehrfach von dort Beschäftigten grausamste Arbeitsbedingungen geschildert worden“, sagte der Autor der dpa am Montag. Das betreffe vor allem Saison- und Leiharbeiter. Aus Zuschriften von Betroffenen gehe hervor, dass diese von Kameras überwacht, schon bei kleinen Verschnaufpausen zum Vorgesetzten zitiert würden und mit Repressalien rechnen müssten. „Über die Arbeiter wird verfügt wie über Leibeigene.“

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