Bausparkassen kündigen Verträge wegen zu hoher Zinsen

Stuttgart/Berlin (dpa) - Bausparkassen kündigen in vielen Fällen Altverträge, die den Kunden relativ hohe Zinsen bringen. Wüstenrot etwa bestätigte, rund 15 000 Sparverträge aufgelöst zu haben.

Auf diesen Konten sei die vereinbarte Sparsumme erreicht worden, wie das Kreditinstitut in Stuttgart mitteilte. Das Vorgehen sei „branchenüblich“, hieß es bei den Verbänden der privaten sowie der öffentlich-rechtlichen Bausparkassen.

Verbraucherschützer kritisieren dagegen, dass Kunden immer wieder dazu gedrängt würden, vorzeitig Bausparverträge zu kündigen. Die Institute wollten auf diese Weise vergleichsweise hohe Zinszahlungen vermeiden. Hintergrund sind die in den vergangenen Jahren auf ein Rekordtief gesunkenen Zinsen für Sparanlagen. Über das Beispiel Wüstenrot hatten die „Stuttgarter Nachrichten“ am Freitag berichtet. Die Verbraucherzentralen hätten aber auch Beschwerden von Kunden etwa der Aachener Bausparkasse oder BHW auf dem Tisch, schrieb das Blatt.

Die Bausparkassen sind von zwei Seiten unter Druck geraten. Sie müssen einerseits noch hohe Zinsen für die Guthaben aus alten Verträgen zahlen, können dies aber nicht durch hohe Darlehenszinsen aus dieser Zeit ausgleichen, weil Kunden auf diese teuren Kredite verzichten und stattdessen zu günstigeren Hypothekendarlehen greifen.

Wüstenrot beruft sich auf einen Passus in seinen Allgemeinen Bausparbedingungen, wonach es Verträge kündigen kann, sobald Guthaben und Bonuszinsen die Bausparsumme übersteigen. Die 15 000 betroffenen Kunden hätten diese Grenze offensichtlich überschritten, teilte die Bausparkasse mit. Ein Sprecher betonte, angesichts eines Gesamtbestands von 3,6 Millionen Verträgen seien die gekündigten 15 000 Verträge eine sehr geringe Zahl.

Auch die Landesbausparkassen der öffentlich-rechtlichen Sparkassenorganisation halten Vertragskündigungen bei Erreichen der vereinbarten Summe für legitim. Natürlich müssten die Klauseln des Vertrages dies gestatten. Die Details könnten dabei von Fall zu Fall unterschiedlich sein, sagte die Sprecherin der Landesbausparkassen in Berlin, Ivonn Kappel. Sie erinnerte daran, dass Bausparverträge als Baustein bei der Finanzierung von Wohneigentum gedacht seien.

Der Verband der Privaten Bausparkassen wies darauf hin, dass Ombudsleute seit Anfang 2008 in einer Vielzahl von Fällen so entschieden hätten, wie Wüstenrot nun vorgehe. „Denn Bausparen ist Zwecksparen“, sagte der Sprecher.

Doch Verbraucherschützer kritisieren die Vorgehensweise: „Man hat den Kunden den Vertrag als Sparprodukt mit attraktivem Guthabenzins verkauft und sollte jetzt nicht im Kleingedruckten nach Ausflüchten suchen“, sagte Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Der Bankenexperte Frank-Christian Pauli vom Bundesverband der Verbraucherzentrale sagte, es seien auch Fälle bekannt, in denen Bausparkassen versuchten, die ursprünglich vereinbarte Sparphase zu verkürzen. Dies geschehe etwa dadurch, dass Prämien und ein Bonus zu Guthaben hinzugerechnet würden. Es sei nicht in Ordnung, wenn Bausparkassen versuchten, Kunden mit solchen Methoden vorzeitig aus dem Vertrag zu drängen.

Bei Wüstenrot beträgt der Anteil von Altverträgen mit hohen Zinsen am gesamten Segment Bausparen nach eigenen Angaben rund 20 Prozent. Der Wüstenrot Bausparkasse entstehe dadurch eine jährliche Ergebnisbelastung von 100 Millionen Euro.

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