„Blaues Auge“ für ThyssenKrupp-Chefaufseher Cromme

Bochum/Essen (dpa) - „Blaues Auge“ für ThyssenKrupp-Chefaufseher Gerhard Cromme: Nach einem Sturm der Aktionärskritik haben die Anteilseigner des tief in die roten Zahlen gestürzten Stahlriesens dem Aufsichtsratsvorsitzenden bei der Hauptversammlung am späten Freitagabend in Bochum die Entlastung erteilt.

Der 69-Jährige erhielt jedoch nur ein Ergebnis von 69,16 Prozent der Stimmen. Im Jahr zuvor hatte die Zustimmung noch bei fast 95 Prozent gelegen.

„Das war eine Watschen für Herrn Cromme“, sagte der Geschäftsführer der deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Marc Tüngler, am Samstag. Das schlechte Ergebnis für Cromme sei „angemessen“ angesichts der aktuellen Situation des Konzerns, sagte der Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, Markus Dufner.

Cromme konnte bei der Abstimmung jedoch auf die Unterstützung der mächtigen Krupp-Stiftung zählen, die mit 25,3 Prozent wichtigster Großaktionär ist. Der Chef der Krupp-Stiftung, der 99-jährige Berthold Beitz, hatte sich am Freitag mit einer demonstrativen Geste hinter den Aufsichtsratsvorsitzenden gestellt.

Ein noch schlechteres Ergebnis als Cromme erhielt SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, dem die Entlastung mit nur 68,29 Prozent der Stimmen erteilt wurde. Steinbrück, der von der Krupp-Stiftung in den Aufsichtsrat entsendet worden war, war bereits Ende vergangenen Jahres aus dem Kontrollgremium wieder ausgeschieden. Das wegen Luxusreisen in die Kritik geratene IG-Metall-Vorstandsmitglied Bertin Eichler wurde mit 68,83 Prozent entlastet.

Konzernchef Heinrich Hiesinger musste sich mit einer Zustimmung von 70,76 Prozent zufriedengeben. Auf dem erst Anfang 2011 von Siemens zu ThyssenKrupp gewechselten Manager ruhen trotzdem die Hoffnungen vieler Aktionäre. Der Konzernchef, der erst nach den Fehlentscheidungen üben den Bau neuer Stahlwerke in Übersee zu ThyssenKrupp gewechselt war, hatte zuvor einen radikalen Umbau des Konzerns angekündigt.

„Das Ergebnis von Hiesinger passt nicht zu seiner Arbeit. Das sollte er nicht zu persönlich nehmen“, sagte Tüngler. Auch die Kritischen Aktionäre setzten zumindest eine „kleine Hoffnung“ auf Hiesinger, sagte Dufner.

Vor allem Chefkontrolleur Cromme war am Freitag bei der bis in den späten Abend andauenden Hauptversammlung von verärgerten Aktionäre wegen der Milliardenverluste und Affären bei dem Stahlriesen heftig attackiert worden. Zahlreiche Anteilseigner sprachen angesichts eines Fehlbetrages von rund fünf Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr von einem Desaster. Cromme gestand eine Mitverantwortung des Kontrollgremiums für das Debakel und andere Fehlentwicklungen ein.

Einige Aktionäre hatten zuvor gefordert, dem Kontrollgremium einen Denkzettel zu verpassen und die Entlastung zu verweigern. Andere verlangten Crommes Rücktritt. Die DSW werde nun prüfen, ob die von der Aktionärsvereinigung bei der Hauptversammlung ohne Erfolg beantragte Sonderprüfung gerichtlich durchgesetzt werden solle, sagte Tüngler. Denkbar sei aber auch, dass man sich mit dem Unternehmen auf eine freiwillige Sonderprüfung einigen könne, meinte er.

Als wichtigste Ziele des tief in die Verlustzone gestürzten Konzerns hatte Hiesinger zuvor die Stabilisierung der Finanzen des hoch verschuldeten Unternehmens und den Ausbau des Technologiegeschäft benannt. Änderungen müsse es auch bei der Unternehmenskultur geben. „Ich gebe aber zu: Auch mir war bei meinem Amtsantritt nicht bewusst, wie tiefgreifend der nötige Veränderungsprozess sein würde“, sagte Hiesinger.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort