Deutsche Wirtschaft rutscht weiter ins Stimmungstief

München/Berlin (dpa) - Die deutsche Wirtschaft schlittert weiter ins Stimmungstief. Der Ifo-Geschäftsklimaindex, das wichtigste Konjunkturbarometer, fiel im Oktober schon den sechsten Monat in Folge.

„Die Wolken am deutschen Konjunkturhimmel verdunkeln sich“, sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn am Mittwoch in München.

Die befragten Unternehmen beurteilten die aktuelle Lage deutlich schlechter, und die Erwartungen blieben unverändert pessimistisch. Das gleiche Bild zeichnet die jüngste Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages: Demnach wächst wegen der Rezession in weiten Teilen Europas und der ungelösten Schuldenkrise im Euroland die Besorgnis in den Chefetagen. Am Arbeitsmarkt stehen die Ampeln indes weiter auf grün: Unter dem Strich sollen laut DIHK 2013 in deutschen Firmen 180 000 neue Arbeitsplätze entstehen. Das sind allerdings deutlich weniger als im laufenden Jahr (480 000).

Die Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB), notfalls unbeschränkt Staatsanleihen von Euro-Krisenländern zu kaufen, konnte zwar die Finanzmärkte beruhigen. „Aber die Probleme dieser Länder sind ja nicht verschwunden„, sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe. An den harten Fakten der Wirtschaft habe sich nichts geändert: „Die Unsicherheit hält an.“ Die Abkühlung der Konjunktur zeigt sich bereits in einer deutlich verschlechterten Geschäftslage der Industrie im Oktober: Auftragseingang, Kapazitätsauslastung und Exporterwartungen gingen nach unten, sagte Wohlrabe.

Die Eurozone stecke in der Rezession, die chinesische Wirtschaft wachse schwächer, die US-Wirtschaft nehme keine Fahrt auf, und in Deutschland legten die Unternehmen Investitionen auf Eis - trotz niedriger Zinsen und günstiger Kreditbedingungen.

In der Chemie- und Metallindustrie sehe es nicht gut aus, die Lage in der Investitionsgüterindustrie sei jetzt unter dem langjährigen Durchschnitt. „Der Maschinenbau ist einer der wenigen Lichtblicke - aber der läuft immer ein bisschen nach“, erklärte Wohlrabe. Stützen bleiben der private Konsum und der Wohnungsbau.

„Eine Rezession sehen wir nicht für Deutschland. Aber es wird ein härteres Winterhalbjahr“, sagte der Konjunkturexperte. Im letzten Quartal des Jahres erwarten die führenden Forschungsinstitute kein Wirtschaftswachstum mehr in der Bundesrepublik. Auch der DIHK, der mehr als 28 000 Firmen befragt hat, sieht kein neuerliches Abrutschen wie 2009. „Wir erwarten keine Rezession“, sagte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben.

Laut DIHK rechnen nur noch 18 Prozent der Firmen damit, dass sich ihre Geschäftslage in nächster Zukunft verbessert, nach 25 Prozent im Frühsommer. Im Gegenzug haben sich bei 22 Prozent der Unternehmen die Geschäftserwartungen verschlechtert; im Frühsommer war dies lediglich bei 14 Prozent der Fall. Auch die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage hat sich eingetrübt: Nur noch 38 (Frühsommer: 42) Prozent der Firmen halten ihre Lage für gut.

Der Ifo-Index sinkt angesichts der weltweit schwächeren Wirtschaftsaussichten und der ungelösten Euro-Schuldenkrise seit Mai jeden Monat. Banken-Volkswirte hatten für Oktober eigentlich eine leichte Verbesserung erwartet, weil sich die Lage an den Finanzmärkten stabilisiert hatte. Aber die Realwirtschaft zeige weiter „die Unsicherheit, wie es in der Eurozone weitergeht“, sagte Wohlrabe. Für den Ifo-Geschäftsklimaindex befragen die Konjunkturforscher jeden Monat rund 7000 Unternehmen.

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