Deutsche Wirtschaft soll nach Winterschlaf wieder zulegen

Frankfurt/Berlin (dpa) - Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft sind trüb - zumindest kurzfristig: „Für das Winterhalbjahr 2012/2013 deutet sich sogar ein Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität an“, schreibt die Deutsche Bundesbank in ihrem am Montag in Frankfurt vorgelegten Monatsbericht.

Die Konjunktur stocke wegen der Rezession im Euroraum und der Verlangsamung des globalen Wachstums. Allerdings wird Europas größte Volkswirtschaft wohl nur eine Pause als Wachstumsmotor in der Eurozone einlegen. Die Industrie beruft sich gar auf einen Anstieg der Exporterwartungen in ihren Reihen.

Vor allem aus Übersee seien zuletzt deutlich mehr Aufträge eingegangen. Nach Überzeugung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) wird die deutsche Exportwirtschaft das Rekordjahr 2012 im kommenden Jahr nochmals toppen. Das dürfte die Konjunktur anschieben.

„Die Exporte werden im laufenden Jahr um rund vier Prozent zulegen, im kommenden Jahr rechnen wir mit mindestens drei Prozent Exportwachstum“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber in Berlin. Damit werde die deutsche Industrie ihren Weltmarktanteil halten. 2011 hatten die Exporte laut Statistischem Bundesamt um 11,4 Prozent zugelegt.

Das Exportwachstum werde erneut auf das Konto der Länder außerhalb der EU gehen. „In diesem Jahr sind die Ausfuhren in die EU-Länder kaum gewachsen. Außerhalb Europas nimmt die Nachfrage nach Produkten "Made in Germany" allerdings deutlich zu“, sagte Kerber. Die Exporte in Drittländer hätten schon 2012 um elf Prozent zugelegt. Seit 2009 sei der Anteil der deutschen Exporte in Drittländer von 38 auf 43 Prozent gestiegen.

Auch die Notenbanker verfallen nicht in Konjunkturpessimismus. Sie erwarten vielmehr, dass die Talsohle schon bald durchschritten sein wird: „Es gibt ... die begründete Aussicht, dass die wirtschaftliche Schwächephase nicht allzu lange anhalten wird und Deutschland bald wieder auf einen Wachstumspfad zurückkehrt.“ Nach einem realen Plus des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,7 Prozent 2012 rechnen die Notenbanker für 2013 mit einer Rate von 0,4 Prozent.

Optimistischer ist das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Nach der am Montag präsentierten Konjunkturprognose des IMK legt das deutsche BIP 2012 um 0,7 Prozent und 2013 um 0,8 Prozent zu. Damit erhöhten die Forscher ihre Prognose vom Oktober für 2013 um 0,4 Prozentpunkte.

Zwar schädigten der strikte Sparkurs und die Rezession bei vielen Handelspartnern im Euroraum die Konjunktur in Deutschland stark, sagte IMK-Direktor Gustav A. Horn in Berlin: „Der private Konsum und der Export nach Osteuropa, Asien und Amerika sind aber kräftig genug, um die deutsche Wirtschaft in diesem und im kommenden Jahr leicht wachsen zu lassen.“

Allerdings dürften sich die Schuldenkrisen weder in Europa noch in den USA verschärfen, sagte Horn: „Die Situation bleibt fragil, die Unternehmen sind skeptisch.“

Nach Einschätzung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, wird sich die Wirtschaft in der Eurozone nur langsam erholen. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2013 dürfte die Konjunktur wieder in Schwung kommen, sagte der Notenbankchef am Montag vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments. Allerdings bleibe „der mittelfristige Ausblick für die konjunkturelle Entwicklung weiterhin schwierig“. Laut der jüngsten Prognose rechnet die EZB in diesem Jahr mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der Eurozone um 0,5 Prozent und um 0,3 Prozent im kommenden Jahr.

Die Bundesbank baut ihre Hoffnung auf einen Aufschwung in Deutschland darauf, dass die Weltwirtschaft wieder Fahrt aufnimmt und der Reformprozess im Euroraum voranschreitet. Zudem müssten größere negative Überraschungen ausbleiben. Insgesamt sieht die Notenbank noch erhebliche Abwärtsrisiken. Da die deutsche Wirtschaft aber eine gute Grundkonstitution besitze, werde sie die Schwächephase ohne größere Schäden insbesondere am Arbeitsmarkt überstehen.

Allerdings machen sich die Deutschen wieder mehr Sorgen um die Arbeitsplätze. Nach einer am Montag veröffentlichten Umfrage der Allianz-Versicherung und der Universität Hohenheim sind nur noch 57 (Vorjahr: 62) Prozent zuversichtlich, dass ihre eigene Stelle im kommenden Jahr sicher ist. Und lediglich 24 Prozent sehen der weiteren Entwicklung des Arbeitsmarktes optimistisch entgegen.

Die Arbeitslosigkeit ist mit derzeit 2,75 Millionen zwar niedrig, aber die meisten Wirtschaftsforscher erwarten nächstes Jahr einen leichten Anstieg. Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise sagte, der Arbeitsmarkt habe zuletzt an Dynamik verloren, und die Arbeitnehmer „beobachten diese Entwicklung aufmerksam und zunehmend besorgt“.

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