Die „listige Witwe“ wird 70

Maria-Elisabeth Schaeffler führt den Autozulieferer.

Herzogenaurach. Jahrelang als mächtige Strippenzieherin geachtet, stand Maria-Elisabeth Schaeffler nach der wackeligen Conti-Übernahme plötzlich als Hasardeurin am Pranger. Inzwischen hat sich die Lage bei dem Autozulieferer Schaeffler beruhigt. Am Mittwoch feiert die Familienunternehmerin ihren 70. Geburtstag.

Die in Prag Geborene und in Wien Aufgewachsene traf als Medizinstudentin auf den 24 Jahre älteren Georg Schaeffler. Die beiden sahen sich vor ihrer Hochzeit 1963 nur dreimal, dennoch brach Schaeffler ihr Studium ab und folgte ihm. Öffentlich fiel sie in dieser Zeit nur dann auf, wenn sie ihrem Mann beim Rauchen den Aschenbecher hielt.

1996 jedoch, nach dem Tod ihres Mannes, trat sie aus dem Schatten: Für viele überraschend übernahm Maria-Elisabeth Schaeffler selbst das Zepter, baute die Firma mit der feindlichen Übernahme des börsennotierten Konkurrenten FAG Kugelfischer aus, verdoppelte die Mitarbeiterzahl und vervielfachte die Erlöse. Als „listige Witwe“ galt Schaeffler zu dieser Zeit.

Doch dann kam der tiefe Fall: Schaeffler wollte den dreimal so großen Konkurrenten Continental übernehmen und machte ein unerwünschtes Übernahmeangebot. Doch die Sache ging schief: Statt auf 49,9 Prozent saß Schaeffler auf 90 Prozent der Anteile — und zwölf Milliarden Euro Schulden.

Damit waren selbst die Schaefflers überfordert, obwohl Maria-Elisabeth und ihr Sohn und Mehrheitseigentümer Georg mit einem Vermögen von geschätzt 8,5 Milliarden Dollar (damals 5,4 Milliarden Euro) unter den zehn reichsten Deutschen geführt wurden.

Anfang 2009 folgte der bittere Schritt: Die Bundesverdienstkreuzträgerin bat um Staatshilfen. Fatal war jedoch, dass zeitgleich ein Foto auf den Titeln der Boulevardblätter erschien, das die stets perfekt geschminkte Blondine im Pelzmantel auf einer Party in Kitzbühel zeigte.

Die Firma brauchte zum Überleben Kapital — und die Unterstützung der Arbeitnehmer. Die „Schaefflerin“ trat den Gang zur IG Metall nach Frankfurt an. Als „Büßergewand“ trug sie einen roten Schal — die Demutsgeste wurde landesweit im Fernsehen ausgestrahlt.

Nach Monaten der Ungewissheit einigte sich das Unternehmen mit den Banken auf ein Finanzierungskonzept. Inzwischen sind die Zeiten der Kurzarbeit längst passé. Die Mitarbeiter haben in all der Zeit zu Schaeffler gehalten und kein schlechtes Wort über sie verloren.

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